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Mitarbeiter von Gruner + Jahr protestieren in Hamburg gegen die Einschnitte im Zeitschriftensegment von Gruner + Jahr.

© dpa / dpa/Jonas Walzberg

Was wird aus den G+J-Zeitschriften?  : „Das ist ein Abschied von der Vielfalt“

Peter-Matthias Gaede, langjähriger Chefredakteur von „GEO“, im Interview zu den Umbauplänen von Bertelsmann-CEO Thomas Rabe

Von Caroline Fetscher

Herr Gaede, der Verlag Gruner + Jahr, für den Sie Jahrzehnte gearbeitet haben, wird nun doch nicht in dem Ausmaß zerschlagen, das Sie befürchtet haben.
Ja, Gruner + Jahr wird noch nicht in einen Hauptfriedhof der Mediengeschichte umgewandelt. Was zunächst aufatmen lässt, auch wenn manche Überlebende wohl die anhaltende Furcht umtreibt, sie könnten am Ende doch noch zu Zombies im RTL-Reich werden. Und andere sogar von der Aussicht positiv berührt sein sollen, sie stünden zum Verkauf. Frei nach den Grimms: „Etwas Besseres als den Tod findest Du überall.“

Kritik an CEO Rabe

Sie haben dieser Tage scharfe Kritik an Thomas Rabe geübt, dem Chef von RTL und Bertelsmann. Er will jetzt die „Kernmarken“ im Portfolio halten, große Blätter wie „stern“, „GEO“, „Capital“. Hatte Ihre Stimme und die anderer Kritiker daran Anteil, Substanz zu retten?
Das glaube ich eher nicht. Was nun verkündet wurde, ist wohl keinem Umkehrschub in der jüngsten Wochen zu verdanken. Und wenn doch, dann würde es einen hohen erratischen Anteil enthalten.

Jetzt hat sich Thomas Rabe für die „mediale Kakofonie“ entschuldigt, die Belegschaften verunsichert hat. Ist er vielleicht einfach nur kein guter Vermittler?
Mit Verlaub: Die Verunsicherung hat sich Bertelsmann nun wahrlich selber zuzuschreiben. Und sie ist ja auch noch überhaupt nicht vorüber. Der angekündigte Stellenabbau von zunächst 500 klingt auf den ersten Blick, als träfe es „nur“ 500 Menschen. Es sind aber wesentlich mehr – nämlich all jene Teilzeitkräfte, die sich Stellen geteilt haben. Und von einer Bestandsgarantie für jene Blätter, die nicht direkt in die RTL News GmbH überführt werden, sondern bei Gruner + Jahr und in diversen Tochterunternehmen verbleiben, ist auch nicht unbedingt auszugehen. „Schöner Wohnen“ oder „Häuser“ sind jetzt erst einmal ein wenig aus der Kampfzone geschoben, aber wer weiß….

Mehrere andere Titel sollen nun weichen. Um welche tut es Ihnen leid?
Von den 23 Blättern, deren Ende verkündet worden ist, sind allein acht Ableger von „GEO“. Da ich an deren Gründung nicht unbeteiligt war, macht mich das natürlich besonders traurig. Das ist ein Abschied von der Vielfalt, für die GEO stand, von einer seit 1976 anhaltenden Erfolgsgeschichte, von einer Diversifizierung, die zum Beispiel „GEO SAISON“, „GEO WISSEN“ und „GEO EPOCHE“ hervorgebracht hat. Besonders angesichts des Todesurteils für GEO EPOCHE fehlt mir jedes Verständnis.

An dem Geschichts-Magazin liegt Ihnen besonders?
Ja, weil es unter der Regie meines Kollegen Michael Schaper ein Leuchtturm im Segment der Geschichts-Magazine war. Es hat Geschichte von jeglichem Staub befreit, hat sie mit den Mitteln der präzisen historischen Rekonstruktion, mit den Mitteln einer akribisch recherchierten Reportage zu einem sinnlichen Erlebnis gemacht. Es war auch optisch mitreißend. Und es hat ein immenses Spektrum gehabt, von der Antike bis zu Stalin, von der Geburt der modernen Großstadt bis zu den Ursachen von Nine-Eleven. Es war einfach ein Genuss für alle, die bis dahin mit dem Trauma herumliefen, Geschichte sei „Drei-drei-drei-bei-Issos-Keilerei“ und die Abfolge von Krönungsmessen.   

Aber es fehlt halt auch das Bekenntnis zu jenem Reichtum an Angeboten, für die der Verlag einst stand.

Peter-Matthias Gaede

Gibt es auch nachvollziehbare Gründe zum Aus für „GEO Epoche“?
Die Begründung für den „EPOCHE“-Tod lautet, eine Submarke könne man nicht weiterverkaufen, solange man die Hauptmarke GEO bei RTL behalte. Leuchtet zwar ein. Aber warum muss man die Submarke überhaupt einstellen? Sie schreibt bis heute schwarze Zahlen. Wie übrigens die „GEO“-Gruppe in ihrer Gesamtheit.


Wie beurteilen Sie die Pläne zu Stellenabbau?
Wenn Gruner + Jahr tatsächlich derart knapp bei Luft ist, wie gesagt wird, ist Stellenabbau wohl unvermeidlich. Aber es fehlt halt auch das Bekenntnis zu jenem Reichtum an Angeboten, für die der Verlag einst stand. Die Zeitschrift „art“ steht zum Verkauf, „11 Freunde“ steht zum Verkauf, „beef“ steht zum Verkauf – alles einmal wunderbare Innovationen, von jenen geliebt, deren Lesebedürfnisse jenseits des Mainstreams liegen.

Peter-Matthias Gaede, Jahrgang 1951, absolvierte den 1. Lehrgang der Journalistenschule von Gruner + Jahr. Von 1994 bis 2014 war er Chefredakteur des Magazins „GEO „im Verlag Gruner + Jahr, viele Jahre auch Chefredakteur oder Herausgeber diverser Ableger von „GEO“. Für seine Arbeit erhielt er unter anderem den Egon-Erwin-Kisch-Preis.

© Tsp/Lia Darjes

Es soll aber auch investiert werden.
Was die versprochenen Investitionen betrifft, so bin ich gespannt. Was bedeutet das für die verbliebenen Blätter? Überleben sie als Hoflieferanten für den Versuch, RTL irgendwie qualitätvoller und substantieller zu machen? Und nur als das? Werden Blätter wie „GEO“ und „Capital“ unter der angekündigten Regie von RTL zu Dienstleistern des „stern“ degradiert? Was wird von ihrer Identität, ihrer Aura bleiben?  

Der Strukturwandel ist enorm – analoge Zeitungen und Magazine nennen sich „Produkte“, die „Content“ produzieren. Sie bezeichnen sich als Freund des bedruckten Papiers und als Dinosaurier. Wie kann die seriöse Medienlandschaft ihren Charakter wahren?
Das geht! Wie schaffen es denn zum Beispiel DIE ZEIT und Der Spiegel und immer noch auch einige überregionale und regionale Blätter? Und immer noch viele Special-Interest-Magazine? Klar wird es ein Zurück in die goldene Ära von Print nicht mehr geben. Und klar ist die Etablierung von Bezahlinhalten in den digitalen Medien ein anhaltend mühsames Unterfangen nach der Ursünde fast aller Verleger, journalistische Leistung zunächst kostenlos ins Netz zu stellen.

Aus welchem Depot holen Sie Ihre Hoffnung?
Gehen wir doch einfach in einen Zeitungs- und Zeitschriften-Laden. Sieht es dort so aus, als ob wir unsere letzte Hoffnung auf jene Renaissance setzen müssen, von der im Bereich der Vinyl-Schallplatte die Rede ist? Nein, eine solche Nische sind Printmedien doch noch lange nicht.  

Das Interview führte Caroline Fetscher.

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