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Die Künstlerin Candice Breitz ist die Kuratorin der geplanten Konferenz.

© IMAGO/Funke Foto Services

Nach dem Angriff auf Israel: Bundeszentrale für politische Bildung verschiebt Konferenz

Eine für Dezember geplante Konferenz zur deutschen Erinnerungskultur wurde in Folge des Krieges im Nahen Ostens und der eskalierenden Gewalt verschoben. Die Kuratoren kritisieren die Entscheidung scharf.

Eine für den 8. bis 10. Dezember angesetzte Konferenz der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), wurde in Folge der Anschläge der Hamas am 7. Oktober und der damit verbundenen eskalierenden Gewalt im Nahen Osten abgesagt. Teilnehmen sollten knapp 40 Akademiker, Autoren und Künstler.

Unter dem Titel „We Still Need to Talk“ wollte man bei der Konferenz „zum Nachdenken über die miteinander verwobenen Geschichten verschiedener Opfer des Nationalsozialismus anregen, die Beziehung zwischen dieser Gewalt und anderen traumatischen Geschichten Deutschlands untersuchen und die Ethik und Ästhetik des Umgangs mit dem Leiden anderer ergründen“.

Relationale Erinnerung

Dahinter steht das Konzept der sogenannten relationalen Erinnerung – ein Ansatz, der sich dafür starkmacht, den Holocaust in Bezug zu anderen Formen von Gewalt und Genoziden zu setzen. Kritiker sehen damit die Singularität des Holocausts infrage gestellt.

Kuratiert wurde die Konferenz von der in Berlin lebenden, südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz und dem US-amerikanischen Literaturwissenschaftler Michael Rothberg. Auch er plädiert dafür, so auch in seinem 2009 veröffentlichten und 2021 in deutscher Übersetzung erschienenem Buch zur „multidirektionalen Erinnerung“, den Holocaust in einer globalisierten Welt in Relation zu anderen Verbrechen wie der Sklaverei oder dem Kolonialismus zu diskutieren.

Überlagert von den Anschlägen

Die Planungen für einen offenen Austausch wurden nun von den weltpolitischen Ereignissen überrollt. Als Begründung für die Verschiebung führte die Bundeszentrale an, dass „momentan alles durch die fürchterlichen Ereignisse des 7. Oktobers 2023 überlagert sei“.

Es ist eine Zeit der Trauer und unserer Solidarität mit Israel und den Opfern.

Bundeszentrale für politische Bildung.

Kritik von Seiten der Kuratoren

Beide Kuratoren sprachen sich in Folge der Absage in den sozialen Medien öffentlich gegen diese Entscheidung aus. Es sei in ihren Augen kurzsichtig und bedauerlich, ein Symposium abzusagen, das die Diskussion über entscheidende Fragen in Zusammenhang mit Völkermord, politischer Gewalt, Antisemitismus, Rassismus und der Stärkung intersektionaler Solidaritäten in den Mittelpunkt stellen wollte.

Die Künstlerin Candice Breitz wurde im Zuge ihrer öffentlichen politischen Positionierung zu dem Konflikt im Nahen Osten in den sozialen Medien selbst kritisiert und attackiert. Einige der Anfeindungen machte sie auf Instagram öffentlich und betonte, dass man gerade jetzt miteinander sprechen müsse. Es müsse möglich sein – so Breitz – „den palästinensischen Kampf für Grundrechte und Menschenwürde zu unterstützen und gleichzeitig das schreckliche Blutbad vom 7. Oktober und den grausamen Würgegriff der Hamas gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen unmissverständlich zu verurteilen“.

Manche der eingeladenen Sprecher und Sprecherinnen schlossen sich der öffentlichen Stellungnahme an. Hanno Hauenstein, ehemaliger Ressortleiter der „Berliner Zeitung“ und ebenfalls zur Konferenz eingeladen, kritisierte die Absage auf X. Er sieht darin die Bestätigung, „dass in Deutschland die Kultur des Vermeidens wichtiger ist als der Diskurs“ und stellte die Frage, ob nun vielleicht Zeit sei zu handeln, statt zu sprechen. Andere konstatierten auf den Sozialen Medien, diese Form des Austauschs gerade jetzt zu brauchen, um sich orientieren zu können.

Diese (erneute) Verschiebung zeigt, dass in Deutschland die Kultur des Vermeidens wichtiger ist als der Diskurs.

Hanno Hauenstein, Journalist.

Erbitterte Wortgefechte

Während sich die Kuratoren in ihrem Statement für eine ausgewogene Diskussion starkmachen, toben seit den blutigen Angriffen der Hamas auf israelischem Boden und der in Folge eskalierenden Gewalt im Nahen Osten in den sozialen Medien auch unter Akademikern und Künstlern erbitterte Wortgefechte, die weit weniger differenziert sind. 

In den unmittelbaren Tagen nach den Angriffen wurde zudem die mangelnde öffentliche Anteilnahme und Empathie der Kunstszene und der Akademie für die israelischen Geiseln und Opfer sowie eine weit verbreitete einseitige Parteinahme für die Palästinenser kritisiert. Mitunter fällt es in linken Kreisen, darunter auch renommierten Künstlern und Wissenschaftlern, schwer, die Gewalt der Hamas klar zu verurteilen.

Genau dies scheint nun ein Grund für die Verschiebung zu sein. In ihrem Statement distanziert sich die Bundeszentrale von den Posts einiger geladener Sprecher, die nach dem 7. Oktober abgesetzt wurden. Ausdrücklich kritisiert sie jene, die sich nicht klar gegen den Terror der Hamas positionierten. 

Zu toxisch, der falsche Zeitpunkt – nun wurden Konsequenzen gezogen. Die Bundeszentrale sieht sich derzeit „nicht in der Lage, die Debatte konstruktiv zu führen und zu moderieren, um das angestrebte Bildungsziel in einer sachlichen und respektvollen Weise zu erreichen“. Man wolle, so heißt es, einen erneuten Anlauf zu einem späteren Zeitpunkt nehmen.

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