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Kultur: Zum Trost ein Vanille-Eis

Der Harte, die Zarte: das Roadmovie „Barfuß“ von und mit Til Schweiger

Unser Mann für Hollywood ist wieder da. Er ging mit Sylvester Stallone auf die Asphaltpiste, stellte sich mutig Lara Croft in den Weg und schwang gegen König Arthur die Axt ebenso bedrohlich wie den kunstvoll geflochtenen Kinnbart. Jetzt ist Zeit für Schweigers Rückkehr, und er hat ein Drehbuch im Gepäck, für dessen Verfilmung man einem Mann mit soviel Erfahrung hierzulande gerne Geld in die Hand drückt. Viel Geld sogar, das sieht man dem neuen „Til-SchweigerFilm“ an. Denn schon als Kind, sagt Schweiger, habe er sich geärgert, „wenn Filme scheiße aussehen“.

Damit er sich nicht mehr ärgern muss, hat Schweiger diesmal alles selbst gemacht. Er ist Hauptdarsteller, Regisseur, Co-Autor, Produzent, Co-Cutter und auch sonst noch einiges. „Barfuß“ sollte ein Film werden mit „ehrlichen Emotionen“, ein Wunschprojekt Schweigers, noch dazu ein gut gemeintes. Und so wurde aus einer Gangstergeschichte, in der ein Versager eine Frau aus der Irrenanstalt entführt, in sechs Jahren Drehbuchflickerei ein flaches Rührstück, das dann aber doch nicht zu rühren weiß, ein Märchen ohne Zauber und ein Roadmovie, das nicht vom Fleck kommt. Die engelsgleiche Leila (Johanna Wokalek) dackelt Nick (Til Schweiger) nun ganz freiwillig hinterher, nachdem dieser unwillig ihren Selbstmord unterbrach und ihr ein Vanille-Eis verspricht. Die Zarte und der Harte, sie sind beide Außenseiter und sie haben die lange Fahrt zu sich selbst noch vor sich. Der eine mit, die andere ohne Schuhe. Zum Glück ist gutes Wetter.

Leila ist eine Kaspar-Hauser-Figur: lebensuntüchtig, weil ihre Mutter sie 19 Jahre lang einsperrte. „Barfuß“ macht aus ihr einen Clown, an dessen trauriger Blödheit sich fortlaufend absehbare Gags entzünden. Man kann Johanna Wokalek nur loben für das, was sie noch heraus zu holen vermag aus einer solchen Rolle – einer Kindfrau, die sich empört, wenn der Schaffner ein Loch in ihren Fahrschein macht, und die fröhlich an die Windschutzscheibe pustet, wenn sie am Straßenstrich einen blasen soll. Noch begriffsstutziger als Leila sind nur jene, die ihr auf der Reise begegnen – denn um das Gagfeuerwerk nicht vorzeitig zu beenden, darf keinem auffallen, dass sie ein zurückgebliebenes Mädchen ist. Und das ist nicht einfach, denn Co-Autor und Familienmensch Schweiger hat reichlich Poesie aus seiner Tochter Mund direkt in jenen von Leila gelegt. „Ich will meine Füße nicht einsperren“, oder: „Der Mond hat sein Licht angemacht.“

Nachdem der Mond also sein Licht angemacht hat, gehen die beiden auf den Jahrmarkt und fahren Karussell, und zwar ganz schön ausgelassen; dazu perlt aus dem Hintergrund Jeff Buckleys „Halleluja“. Solche „Emotionen“ sind so „ehrlich“ wie Poesiealben für höhere Töchter. Weil es aber nicht nur menscheln soll, gibt’s auch ein bisschen Komödie, und so erhält das ehemals amerikanische Drehbuch seinen deutschen Kern: als Sketchparade mit Goldrand.

Jenen kleinen Rest an erzählerischem Rhythmus, den man in dieser Verkettung braunstichiger Albumbilder noch ausmachen konnte, zerstören die eingestreuten „Ich war auch da!“-Kurzauftritte fröhlich grüßender Fernsehnasen: Axel Stein als speckiger Trucker, Michael Gwisdek als altväterlicher Bahnhofswart, Michael Mendl als runzelstirniges Alpha-Tier, Alexandra Neldel als blond reitende Edel-Braut. Am Ende gibt’s doch noch Gewitter, eine Frau wird in den Schrank gesperrt (es ist nicht Nadja Tiller) und Leila lernt, dass man Obst in den Einkaufswagen fallen lässt (und Eier nicht).

Zum Lachen ist das nicht. Die Roadmovie-Simulation trippelt nicht bar-, sondern schleppt sich bleifüßig dahin, und das liegt an mehreren Fehlbesetzungen – der des Hauptdarstellers, Regisseurs, Co-Autors und Co-Cutters nämlich. Der Produzent Schweiger hätte die Besetzung dieser Stellen durchaus etwas abwechslungsreicher gestalten und wenigstens einige der anderen Schweigers vor die Tür setzen sollen. Dann wäre das Unternehmen zwar kein „Til-Schweiger-Film“ mehr. Doch als Anreiz zur Filmfinanzierung, so viel kann man aus „Barfuß“ lernen, taugt der Name eines hollywoodgestählten Durchschnitts-Mimen ohnehin nur bedingt. Denn wo Til Schweiger drauf steht, da ist halt auch Til Schweiger drin.

In Berlin in den Kinos Alhambra, Astra, Cinemaxx Potsdamer Platz und Hohenschönhausen, Cinestar Cubix, Hellersdorf, Treptower Park und Tegel, Kosmos, Gropius Passagen, Le Prom und Zoo–Palast

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