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Meinung: Die Kriegstauben

Wenn Donald Rumsfeld heute die Wehrkundetagung in München besucht, wird er von tausenden gewalttätiger deutscher Friedensdemonstranten begrüßt werden. Kann irgendetwas deutlicher die Inkonsistenz und mangelnde Ehrlichkeit der deutschen Position belegen?

Wenn Donald Rumsfeld heute die Wehrkundetagung in München besucht, wird er von tausenden gewalttätiger deutscher Friedensdemonstranten begrüßt werden. Kann irgendetwas deutlicher die Inkonsistenz und mangelnde Ehrlichkeit der deutschen Position belegen? Ob man will oder nicht, die Demonstranten und die deutsche Regierung sind zu faktischen Verbündeten Saddam Husseins geworden in dessen verzweifeltem Versuch, seine Massenvernichtungswaffen zu behalten. Die Friedensbewegung ist tatsächlich eine Kriegsbewegung: Dadurch, dass sie Saddam ermutigt, sich den USA zu widersetzen, macht sie einen bewaffneten Konflikt wahrscheinlicher.

Bush weiß: Das Gegenteil ist richtig. Je wahrscheinlicher ein Krieg erscheint, desto eher kann er vermieden werden. Mit Colin Powells Rede vor den UN versuchte die US-Regierung, den Druck auf Saddam zu erhöhen, ohne sich auf einen Krieg festzulegen. In seiner Rede hat Powell weder zum Krieg aufgerufen noch ihn explizit erwähnt. Er hat Fakten auf Fakten gehäuft, von denen manche von ausländischen Geheimdiensten kamen – auch aus Deutschland – , um zu zeigen, dass Irak gegen den Geist wie auch die Buchstaben der UN-Resolution 1441 verstoßen hat.

Die Stärke von Powells Rede war, dass er die UN in die Pflicht genommen hat. Die Bush-Regierung sagt nicht, dass sie in den Krieg ziehen wird. Sie sagt, die UN hat die Wahl: Weitere Verstöße zu akzeptieren und so machtlos wie der Völkerbund zu werden. Oder Saddam ein letztes Ultimatum zu stellen. Ein großer Sieg für den Multilateralismus und die Prinzipien der Vereinten Nationen. Gewollt oder ungewollt hat die Bush-Regierung der UN eine Chance gegeben, die eigene Glaubwürdigkeit zu retten, sie gar dramatisch zu erhöhen.

In Amerika hat Powells Rede die Stimmung von Skepsis zu einer resignierten Akzeptanz gewandelt, dass man handeln muss, wenn es die UN nicht tun. Es gibt keinen Hurra-Patriotismus, weil es nichts gibt, worüber man sich freuen könnte. Powells Vortrag, der darauf hindeutete, dass der Irak ein aktives Nuklearprogramm haben könnte, hat die Tauben erschüttert, die langsam akzeptieren, dass der Krieg unausweichlich sein könnte. Für mich ist es besonders erstaunlich, dass Joschka Fischer, der ein Eingreifen auf dem Balkan aus humanitären Gründen und wegen der Lehren aus Auschwitz befürwortete, blind bleiben konnte für die Gefahren, die von Saddams Baath-Partei ausgehen, die sich direkt auf europäische faschistische Traditionen bezieht. Er lässt Tests für chemische Waffen an Gefangenen vornehmen und ist da nicht anders als Hitler.

Saddam wird nie mit den Inspekteuren zusammenarbeiten. Je länger Deutschland diese Realität verneint, desto mehr wird es in den USA zum Objekt der Geringschätzung werden. Es ist klar, dass Donald Rumsfelds Bemerkung über Deutschland, Kuba und Libyen eine schlimme Beleidigung war. Denn die Politik Gaddafis ist ja das Gegenteil von der Schröders. Der Oberst versucht wenigstens, den USA entgegenzukommen und sich an der Anti-Terror-Koalition zu beteiligen.

Der Autor ist Leitartikler der „Los Angeles Times“. Foto: privat

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