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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) neben seinem Energie-Staatssekretär Patrick Graichen (links) vor der Bundespressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

Grüne in der Krise: Wenn Klüngelverdacht auf Angst vor Zumutungen trifft

Der Verdacht der Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium kann riesigen politischen Schaden anrichten, wenn Robert Habeck nicht richtig reagiert.

Ein Kommentar von Hans Monath

| Update:

Hat der Vizekanzler schon ein Gespür dafür entwickelt, welche kritische Masse die Vorwürfe der Vetternwirtschaft in seinem Ministerium erreicht haben? Er sei der Meinung, dass das Verfahren zur Auswahl des Chefs der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur „neu aufgesetzt“ werden müsse, meinte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Wochenende.

Das ist das Mindeste. Und dringend nötig, seit bekannt wurde, dass sein Energie-Staatssekretär Patrick Graichen seinen eigenen Trauzeugen für den Topjob ausgewählt hatte.

Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der das Vertrauen nicht nur in die Ampelkoalition, sondern in die Politik insgesamt unter der miserablen Kommunikation und Umsetzung des Gebäudeenergiegesetzes zum Heizungstausch gelitten hat.

Giftige Mischung

Denn wenn Klüngelverdacht auf Angst vor Zumutungen trifft, ergibt das eine besonders giftige Mischung. Das lädt förmlich ein zu Vorwürfen. Nach dem Motto: Uns wollen sie an den Kragen, aber ihre eigenen Spezies versorgen sie gut!

Man kann nur hoffen, dass sein Staatssekretär von den Gesetzen des Energiemarktes und der deutschen Wirtschaft mehr versteht als von den Regeln der politischen Hygiene. Nur wer auf diesem Feld gleichsam taub ist, kann auf die Idee kommen, sich nicht für befangen zu erklären und sich nicht aus einer Personalentscheidung zurückzuziehen, wenn der eigene Trauzeuge zum Vorstellungsgespräch geladen wird. Aber erst, nachdem alles in trockenen Tüchern schien, soll er seinen Minister über das enge Verhältnis zum Erwählten informiert haben.

Sogar in der eigenen Partei gibt es nun Zweifel am Krisenmanagement des Ministers, der einst für seine vorbildliche Kommunikation gerühmt wurde. Manche erklärten die anderen politischen Figuren der Ampelkoalition damals im Vergleich zum Star aus Schleswig-Holstein für blass und langweilig, vor allem den Kanzler. Nun scheint der einstige Meisterkommunikator in einer anderen Welt aufgewacht zu sein.

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Womöglich setzt sich Habeck auch selbst unter Druck. Das Comeback von Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt nach einem durch eigene Fehler verpatzten Bundestagswahlkampf schafft eine neue Konkurrenzsituation für ihn: Wer von beiden wird 2025 Spitzenkandidat der Grünen? Die Versuchung ist groß, bei der Energiewende nicht mehr die ganze Gesellschaft anzusprechen, sondern durch schnittige ökologische Vorgaben vor allem die grüne Klientel für sich einzunehmen. Auch das Bestehen auf dem Atomausstieg sollte gegen wirtschaftliche Vernunft das Dogma der eigenen Partei befrieden.

Vor der Bundestagswahl wollten die Grünen noch die Kanzlerin stellen. Nun sinken ihre Werte, gerade 14 Prozent erreichten sie am Wochenende in einer Umfrage.

Die Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft bröckelt. Wer die Zumutungen der Klimapolitik ohne große Empathie verkündet, muss sich darüber nicht wundern. Im Umgang mit einer Bevölkerung, welche die Klimawende abstrakt bejaht, aber sich gegen jeden staatlichen Eingriff ins eigene Leben wehrt, ist eine besondere Sensibilität nötig. 

Bei den Sozialdemokraten geht längst die Angst um, dass der Plan zum Heizungstausch die Menschen in Panik versetzen könnte, wenn er nicht möglichst weit sozial abgefedert wird. Der kleinere Partner habe das aber nicht verstanden.

Beim zweiten emotional hoch aufgeladenen Thema, nämlich der Steuerung und Begrenzung der Flüchtlingszahlen, wartet in der Koalition der nächste Konflikt mit den Grünen, weil sie aus humanitären Gründen etwa bei der Ausrufung sicherer Drittstaaten bremsen.

Das ist aber eine der wenigen Instrumente, um kurzfristige Erfolge zu erzielen, wenn die EU sich weiter nicht auf gemeinsame Lösungen einigt. Eine Blockade kann die Koalition in nervösen Zeiten weiter angreifbar machen.

Die Krise der Grünen spitzt sich gerade zu. Für den Wirtschaftsminister gilt: Wenn er jetzt nicht volle Transparenz herstellt und zudem die Mitte der Gesellschaft wieder anspricht, nimmt nicht nur seine Partei Schaden, sondern das Riesenprojekt Klimawende.

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