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© Kay Nietfeld/dpa

Kanzler in der Golf-Region: Die neue Marktmacht arabischer Staaten lässt den Westen alt aussehen

Auf der Suche nach Energieträgern begegnet Olaf Scholz in Saudi-Arabien, VAE und Katar Herrschern, die ihre Macht gerade wieder festigen. Vorerst wird das so bleiben.

Ein Kommentar von Thomas Seibert

Der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Arabischen Halbinsel verdeutlicht eine grundlegende Kräfteverschiebung in der internationalen Politik. Die Golf-Staaten, die jahrzehntelang als brave Verbündete des Westens agierten, setzen heute ihren Öl- und Gasreichtum für ihre eigenen Interessen ein – auch wenn das für Amerika und Europa unangenehm sein sollte.

Durch die Folgen des Ukraine-Kriegs sind sie noch mächtiger geworden und werden es auch bleiben. Europa braucht eine Antwort auf den Aufstieg von Staaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verankerten die USA und Saudi- Arabien ein Prinzip, das die Beziehungen des Westens zu der Golf- Region jahrzehntelang bestimmte: Amerika garantierte die Sicherheit der Monarchien am Golf, und die garantierten den Export von Öl.

Dieses System hielt bis in die 2000er Jahre hinein, dann kündigten die USA ihre Seite des Deals auf – jedenfalls sahen die Araber das so – und begannen mit dem Rückzug aus dem Nahen Osten.

Die Enttäuschung über Amerika, das nahende Ende des Ölzeitalters und der Generationswechsel in den Golf-Staaten – Saudi-Arabien, die VAE und Katar werden heute von Männern regiert, die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden – führten zu einer Kursänderung.

Sie investieren in Erneuebare und halten den Ölpreis hoch

Die Golf-Herrscher stecken Milliarden in neue Technologien wie die Energiegewinnung aus Wasserstoff und andere Neuerungen, um ihre Macht zu erhalten, und halten gleichzeitig die Ölpreise hoch. Sie kooperieren mit Russland und scheren sich nicht um die Bitte des Westens, mehr Öl auf den Markt zu bringen, um die Preise zu senken.

Der Erfolg gibt ihnen Recht. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wurde zwar eine Zeit lang vom Westen geschnitten, weil er den Dissidenten Jamal Khashoggi ermorden ließ. Doch spätestens seit die USA und Europa wegen des Ukraine-Kriegs dringend niedrigere Ölpreise brauchen, wird ihm wieder der rote Teppich ausgerollt.

Olaf Scholz zu Gast beim saudischen Kronprinz bin Salman

© dpa/Kay Nietfeld

Auch wenn es ums Geld der Araber geht, vergisst Europa seine eigenen Werte. Im Jahr 2002 gingen nur drei Prozent der deutschen Rüstungslieferungen an arabische Länder, bis zum Jahr 2019 hatte sich der Anteil auf 30 Prozent verzehnfacht. Nach dem Khashoggi-Mord stoppte Deutschland den Export eigener Waffen nach Saudi-Arabien; das gilt aber nicht für Gemeinschaftsprojekte mit Verbündeten. Andere EU-Mitglieder wie Frankreich liefern ohnehin weiter Waffen an Riad.

Darauf hoffen, dass die Golf-Araber nach dem Ukraine-Krieg wieder an Bedeutung verlieren, sollten Deutschland und die anderen europäischen Staaten nicht. Die neue Herrscher-Generation am Golf wird die Region auf Jahrzehnte prägen. Je rascher Europa ein Konzept für den Umgang mit der Region entwickelt, desto besser.

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