zum Hauptinhalt
Tamim bin Hamad Al Thani (vorne rechts), Emir von Katar, inspiziert das Hauptquartier für die Fifa-Fußball-Weltmeisterschaft.

© Foto: dpa/Emiri Diwan Office

Katar und seine Macht: Oberste Priorität hat für den Emir sein politisches Überleben – koste es, was es wolle

Tamim bin Hamad Al Thani regiert als Emir von Katar mit diplomatischem Geschick, strategischer Raffinesse und kompromissloser Härte. Ein Gastbeitrag.

Von Sebastian Sons

Es dauerte nur wenige Tage, da zierte das Konterfei des Emirs Tamim bin Hamad Al Thani ganze Hauswände, Kaffeetassen und T-Shirts in Katar. Damals, im Juni 2017, hatten die benachbarten Golfmonarchien Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain sowie Ägypten eine Blockade gegen Katar verhängt. Ziel war es, das seit dem „Arabischen Frühling“ 2010/11 immer einflussreicher und unbequemer werdende Emirat in die Schranken zu weisen.

Die Krise beschrieb ein Diplomat damals als „Konflikt der Egos“ zwischen Tamim sowie den Kronprinzen in Saudi-Arabien, Mohammad bin Salman (MbS), und in den VAE, Mohammad bin Zayed (MbZ). Denn der Höhenflug Tamims schien die Ambitionen von MbS und MbZ zu untergraben und schürte die unter den Golfmonarchen ohnehin herrschende Rivalität.

Bin Salman, Jahrgang 1985, und Tamim, geboren 1980, sind beide Vertreter einer jungen Herrschergeneration. Sie ringen nicht nur um politische Macht, sondern auch um gesellschaftliche Akzeptanz.

51
Jahre ist Katar von Großbritannien unabhängig.

Vier Jahre vor Ausbruch der Krise war Tamim als vierter Sohn seines Vaters Emir Hamad bin Khalifa Al Thani zu dessen Nachfolger ernannt worden. Der Machtwechsel erfolgte problemlos und wird in der katarischen Geschichtsschreibung als Symbol familiärer Eintracht innerhalb der Herrscherdynastie der Al Thani beschrieben.

Hamad hatte während seiner Regentschaft Katar mithilfe enormer Einnahmen aus dem Gasgeschäft bereits zu einem verlässlichen, gefragten und reichen Partner der Weltwirtschaft gemacht. 2003 gelang es ihm sogar, die USA davon zu überzeugen, das Zentralkommando der US-amerikanischen Truppen aus Saudi-Arabien ins katarische Al Udaid zu verlegen – ein wichtiger Grundpfeiler für Katars Aufstieg zur Regionalmacht.

Zugleich wurde die heimische Kultur- und Bildungslandschaft um- und ausgebaut. Maßgebliche Architektin war Hamads Ehefrau und Mutter von Tamim, Scheicha Moza al Misnad. Sie bestimmt als Vorsitzende von Qatar Foundation bis heute die Bildungs- und Entwicklungspolitik des Emirats und ist für viele katarische Frauen eine Ikone. Auch für den Emir soll sie eine prägende Bezugsperson sein.

2013 übernahm Tamim bin Hamad Al Thani das Amt des Emirs von Katar von seinem Vater. Er ist damit das bisher vierte Staatsoberhaupt des Emirats.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach seiner Machtübernahme setzte Tamim in weiten Teilen die Politik seines Vaters fort. Während allerdings Hamad im Zuge des „Arabischen Frühlings“ eine klar proislamistische Außenpolitik verfolgt hatte, dominiert bei Tamim eher ideologischer Pragmatismus.

So teilt sich Katar mit der schiitischen Islamischen Republik Iran das größte Gasfeld der Erde und pflegt deshalb gute Kontakte zu Teheran – zum Verdruss Saudi-Arabiens, beherbergte mit Wissen der USA zeitweise die afghanischen Taliban, unterstützt bis heute mit Israels Zustimmung die Hamas im Gazastreifen und gewährt Muslimbrüdern Unterschlupf.

Das hat dem Emirat den Vorwurf eingebracht, islamistischen Terrorismus zu finanzieren. Doch zugleich nutzt Katar seine vielfältigen Kontakte, um sich als Vermittler auch in kniffligen Fällen zu profilieren. Weltpolitik – sie wird zuweilen auch in Doha gemacht, Katars Hauptstadt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Jahrelang war Tamim auf seine Aufgabe als Staatsoberhaupt vorbereitet worden. Sein wichtigstes Tätigkeitsfeld: der Sport. Die Führungsriege des winzigen Staats – kleiner als Schleswig-Holstein, mit einer einheimischen Bevölkerung von nur 300.000 Menschen, eingequetscht zwischen den regionalen Rivalen Iran und Saudi-Arabien – sah darin eine Möglichkeit, globale Netzwerke zu knüpfen sowie internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen.

In der noch jungen Geschichte des Landes – erst vor 51 Jahren wurde Katar von den Briten unabhängig – sollen dort bereits rund 500 Sportereignisse stattgefunden haben. Das Selbstbewusstsein, sich für die WM zu bewerben, zog Tamim vor allem aus der erfolgreichen Ausrichtung der Asienspiele. Danach war er aktiv an der Bewerbung für die WM 2022 beteiligt – und nutzt bis heute die Bühne des Sports, um sich ins rechte Licht zu rücken.

Da passt es gut, dass er auch privat als sportbegeistert gilt und gerne außer Fußball auch Badminton und Tennis spielt. Nur: Von Vertrauten wird Tamim als schlechter Verlierer beschrieben. Davon dürften seine Untergebenen wohl wenig mitbekommen. Weite Teile der Bevölkerung sehen in ihm einen charmanten, weltläufigen Regenten.

25
Milliarden Euro soll Katar in den deutschen Markt investiert haben.

Katars gewachsene Bedeutung und Sichtbarkeit half Tamim auch während des Konflikts mit Saudi-Arabien und den VAE. Am Ende mussten die Blockadestaaten im Januar 2021 die Isolation des Emirats beenden; Tamim hatte den „Konflikt der Egos“ gewonnen. Das machte ihn noch populärer.

Seit der erfolgreichen Bewältigung der Krise gilt er endgültig als Schutzpatron der Nation. Um ihn ist ein regelrechter Personenkult entstanden. Er präsentiert sein Land als Vorreiter im Sport, der Diplomatie, Wirtschaft und Kultur.

Dabei verweist der Emir immer wieder darauf, dass im Gegensatz zu den Nachbarn Saudi-Arabien und den VAE in seinem Land immense Fortschritte bei Arbeits- und Frauenrechten erreicht worden seien. Mit dieser Strategie will er insbesondere der massiven Kritik aus Europa im Vorfeld der WM wegen der Ausbeutung der Arbeitsmigranten und der problematischen Menschenrechtslage begegnen, um von eigenen Verfehlungen abzulenken.

Denn Tamim hat das autokratische Herrschaftssystem zementiert und kontrolliert quasi jede strategische Entscheidung. Oberste Priorität hat für ihn das politische Überleben seiner Familie und seiner Herrschaft – koste es, was es wolle.

Der Emir – verheiratet mit drei Frauen, Vater von sieben Söhnen und sechs Töchtern ­– umgibt sich mit wenigen Getreuen vor allem aus der eigenen Familie. Außenminister Mohammad bin Abdulrahman Al Thani gehört ebenso dazu wie seine Schwester Scheicha Al Mayassa bint Hamad Al Thani. Sie ist dafür verantwortlich, Katar als Kunst- und Kulturzentrum zu etablieren.

Zudem verlässt sich der Herrscher auf einige Gefolgsleute, die nicht aus seinem Familienzweig stammen. Zu ihnen gehört Nasser al Khelaifi. Als Präsident des staatseigenen Fußballclubs Paris St. Germain (PSG), Vorstandsmitglied in der UEFA und Vorsitzender der European Club Association ist er zu einem der einflussreichsten Strippenzieher des europäischen Fußballs geworden – und macht so Politik im Namen des Emirs.

Katar ist in Zeiten der weltweiten Energiekrise und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mehr denn je zu einem unentbehrlichen Partner geworden – trotz aller Probleme und Konflikte. Bundeskanzler Olaf Scholz war kürzlich Gast des Emirs, um über mögliche Gaslieferungen zu verhandeln und schloss mit Katar eine Energiepartnerschaft.

Das Emirat ist längst auch in Deutschland aktiv, besitzt Firmenanteile bei Siemens, der Deutschen Bank und RWE. Insgesamt soll Katar 25 Milliarden Euro in den deutschen Markt investiert haben.

Demokratie spielt für Tamim bin Hamad Al Thani keine Rolle. Zwar fanden vergangenes Jahr Wahlen zur beratenden Versammlung statt. Doch diese dienten eher dazu, verdienten Familienvertretern ein Podium zu bieten und ihnen Respekt zu zollen. Als am Ende keine weibliche Kandidatin gewählt wurde, griff der Emir ein und ernannte zwei Frauen.

Gewerkschaften und Parteien sind weitgehend verboten, eine kritische Presse gibt es ebenso wenig wie eine Opposition. Bereits ein Jahr nach seiner Amtsübernahme erließ Tamim ein strenges Gesetz gegen Cyberkriminalität, das von Menschenrechtsorganisationen als Repressionsinstrument kritisiert wird.

So hat Tamim ein autokratisches Modell etabliert, das ihn zu einem der mächtigsten Männer in der Region gemacht hat. Und Katar größer und einflussreicher wirken lässt, als es womöglich ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false