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Meinung: Patriotismus-Debatte: Gastkommentar: Stolz darauf, stolz sein zu dürfen

Zum Thema TED: Kann man auf die Zugehörigkeit zu einer Nation stolz sein? Gehört Gerhard Schröder zu den neuen Rechten?

Zum Thema TED: Kann man auf die Zugehörigkeit zu einer Nation stolz sein? Gehört Gerhard Schröder zu den neuen Rechten? Okay, die Frage ist überspitzt. Aber trotzdem nicht ganz unberechtigt. Schröders Verhalten lässt kaum Zweifel daran, dass er eine neue Berliner Republik will, eine, die sich nicht mit der Vergangenheit befasst, sondern mit der Zukunft. Genauso wie nur Richard Nixon nach China gehen konnte, wie nur Bill Clinton unser Wohlfahrtssystem abschaffen konnte, so scheint nur Schröder ein stolzes, selbstbewusstes Deutschland ins Leben rufen zu können. Dass er das will, zeigten schon seine schroffen Bemerkungen zum Holocaust-Mahnmal. Seine Aussagen zum National-Stolz beweisen, dass er die jüngere Generation im Blick hat, die müde ist, immer nur Beteuerungen deutscher Schuld zu hören.

Was sich jetzt in Deutschland abspielt, ist eine Revolte - jedoch keine der ganz Jungen, sondern eine der Dreißig- bis Vierzigjährigen. Zu viel Frust hat sich angesammelt. Ein Bekannter aus dem Auswärtigen Amt explodierte neulich: "Sieben Mal haben wir den Holocaust in der Schule durchgenommen. Die Zeit für die Debatte ist überreif, wir sind eine Demokratie." In Jürgen Trittin sieht er einen Gründungsvater eines neuen, gemäßigten Patriotismus. Denn es bilde sich eine breite Mitte gegen Trittin: von Schröder über Westerwelle zu Meyer.

Das Problem ist: Die Art der Stolz-Debatte belegt, wie unsicher sich das Land noch ist. Und dass es da doch eine historische Kontinuität gibt - trotz der gefestigten Demokratie. Auch vor der NS-Zeit schwankte Deutschland, so der große Historiker Leopold von Ranke, zwischen Einheit und Zerfallenheit. Heute vergisst man leicht, dass der deutsche Nationalstaat erst 1870/71 von Preußen zusammengeschmiedet wurde - ziemlich spät im europäischen Vergleich.

Die aktuelle Suche nach dem Nationalstolz hat etwas Künstliches. Da verhält es sich wie mit dem Selbstbewusstsein: Entweder man hat es oder eben nicht, proklamieren kann man es nicht. Muhammad Ali hat den Satz "Ich bin der Größe" erst gesagt, nachdem er Weltmeister geworden war. Die hektische deutsche Suche nach Stolz erinnert unfreiwillig an das Wilhelminische Deutschland. Und der Konflikt zwischen 68ern und den so genannten 89ern an den Generationskonflikt zwischen den damaligen protzigen Jungen und der idealistischen 1848er Generation, wie er in Heinrich Manns "Untertan" geschildert wird.

Klar kann man die Ungeduld mit den 68ern heute verstehen, mit ihrer larmoyanten Betroffenheitskultur. Ein neues Deutschland, frei von den Lasten und Bürden des Kalten Kriegs entsteht. Aber es ist ein Irrtum, jetzt Stolz einzufordern. Gibt es dafür nicht noch zu viele Probleme zwischen den Deutschen in Ost und West?

Zudem: Wer verbietet es den Deutschen überhaupt, stolz zu sein? Eigentlich niemand. Und: Deutschland hat eine Menge Probleme, die sich nicht durch nationale Parolen lösen lassen. Grund auf diese Debatte stolz zu sein, gibt es nicht.

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