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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Zwischenruf zur Asylpolitik: Rückkehr der Trickser

Die beste Flüchtlingspolitik ist die Vermeidung von erzwungener Wanderung. Aber wie und wo arbeitet Europa daran, Entwicklungs- mit Wirtschafts- und Außenpolitik zusammenzudenken?

Spricht man in Deutschland derzeit von Flüchtlingen, dann spricht man über den Oranienplatz. Als sei das der Nabel der Flüchtlingswelt. Weit gefehlt. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hat soeben die neuesten Asylantragszahlen veröffentlicht: Fast eine halbe Million Menschen flüchtete 2013 in europäische Länder; erstmals nimmt unser Kontinent, allen „Festung Europa“-Protesten zum Trotz, weltweit die meisten Flüchtlinge auf. Deutschland war das begehrteste Land mit fast 110 000 Erstanträgen, gefolgt von Frankreich mit 60 000. In Italien wurden 28 000 Asylanträge gestellt. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Türkei, die weit mehr als 600 000 syrische Kriegsflüchtlinge im Grenzgebiet zu Syrien untergebracht hat und aus eigener Kraft versorgt, ohne dass Asylverfahren durchgeführt werden müssen. Eine beachtliche Leistung.

Was aber folgt daraus für Deutschland und für Europa? Zu erwarten ist bei uns das Aufwärmen der Trickserei-Debatte. Dem Innenminister wird wieder vorgeworfen, er werde die hohen absoluten Zahlen benutzen, um in der Flüchtlingspolitik alles beim Alten zu lassen. Dabei nehme Deutschland relativ zur Bevölkerungsgröße viel weniger Schutzsuchende auf als beispielsweise Schweden. Richtig, nur was bringt solche Beckmesserei? Europa, und nicht nur die 28 EU-Länder, haben jetzt Wichtigeres zu besprechen angesichts der neuen Rolle als Kontinent der Verheißungen, als der weltweit größte und offenste „sichere Hafen“ für Flüchtlinge. Denn damit ist nicht zu rechnen, dass sich die Lage in den Kriegs- und Krisengebieten mit Auswanderungsdruck (Afghanistan, Syrien, Eritrea, Pakistan, Russische Föderation) bald entspannt.

Nach wie vor ist die beste Flüchtlingspolitik die Vermeidung von erzwungener Wanderung. Aber wie und wo arbeitet Europa daran, Entwicklungs- mit Wirtschafts- und Außenpolitik zusammenzudenken? Zurück zum Oranienplatz. Hier träumt keiner mehr von Europa, hier leiden sie unter dem Elend und der Illegalität, aber noch gibt es neben der Verzweiflung auch Hoffnung.

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