zum Hauptinhalt
Wer kälter duscht, wird großzügiger entlohnt.

© Patrick Seeger/dpa

Subventionen für Kaltduscher!: Energiesparen muss sich lohnen, also sollte dafür gezahlt werden

Wenn Europa ohne Rationierungsmaßnahmen durch den Winter kommen will, geht das nicht ohne Mittun der privaten Haushalte.

Ein Zwischenruf von Daniel Gros

Während der vergangenen Monate sind die Gas- und Strompreise in Europa um fast 100 Prozent in beispiellose Höhen gestiegen, dann um ein Drittel gesunken und nun – nach Russlands Ankündigung, den Betrieb von Nord Stream 1, seiner Gaspipeline nach Deutschland, auf unbegrenzte Zeit auszusetzen – erneut in die Höhe geschossen. Viele europäische Regierungen haben auf die wilden Preisausschläge an Europas Energiebörsen mit Schuldzuweisungen an die Märkte reagiert. Doch den Boten der schlechten Nachricht zu erschießen ist nie der richtige Ansatz.

Für die europäischen Politiker ist die extreme Volatilität der Energiemärkte der Beweis, dass diese Märkte nicht länger rational operieren. Tatsächlich entwickelt sich Erdgas zu einem knappen Gut, und die Energiepreise reagieren lediglich darauf. Russlands Zudrehen von Nord Stream 1 war keine Überraschung angesichts der Tatsache, dass die Füllstände der europäischen Gasspeicher rasch steigen und der russische Präsident Wladimir Putin weiß, dass er geopolitisch an Einfluss verlieren wird, falls Europa auf einen Winter ohne russisches Gas vorbereitet ist.

Das Ausmaß des Problems ist enorm. Bevor Russland in der Ukraine einmarschierte, bediente es etwa 30 Prozent von Europas Gasbedarf. Seit dem 24. Februar sehen sich die europäischen Länder gezwungen, diesen Verlust durch Energiesparen und Importe aus anderen Quellen auszugleichen.

Was die Einsparungen angeht, so fällt Europas bisherige Bilanz dabei durchwachsen aus. Der hohe Gaspreis hat bereits dazu geführt, dass die Industrie ihren Verbrauch reduziert und auf alternative Energieträger umgestellt oder die Produktion verringert hat. Die deutschen Unternehmen haben im Juni 20 Prozent weniger Gas verbraucht als im selben Zeitraum des Vorjahres.

Doch werden die größten Gasverbraucher während der Wintermonate die privaten Haushalte sein. Und wenn es kälter wird, wird es schwierig sein, die Menschen dazu zu bewegen, ihre Wohnungen weniger zu heizen.

Die Haushalte müssen lernen: Gas ist knapp

Die europäischen Regierungen fordern die Verbraucher bereits auf, ihre Thermostate runterzudrehen und nicht so oft warm zu duschen. Doch dürften derartige Appelle wenig Wirkung haben, und eine Verschärfung der Regeln für öffentliche Gebäude dürfte ähnlich geringe Einsparungen hervorbringen.

Um aber Europa ohne einen Rückgriff auf Rationierungsmaßnahmen durch den Winter bringen zu können, wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass sich die Haushalte den Gasmangel bewusst machen. Das wird nicht einfach.

Die Gaspreise der privaten Haushalte haben sich seit August 2021 im Schnitt verdoppelt. Das ist vielen Verbrauchern noch nicht völlig bewusst geworden, weil sie in den Sommermonaten viel weniger Gas verbrauchen und monatlich einen festen Betrag zahlen, bei dem erst später Nachforderungen anfallen.

Dennoch befeuern die steigenden Energiepreise schon jetzt massive Proteste auf dem gesamten Kontinent. Angesichts des wachsenden politischen Drucks haben mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits Subventionen eingeführt, um die Verbraucherpreise zu senken.

Italien hat die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt

Frankreich hat die Gas- und Strompreise gedeckelt, und Italien hat die Mehrwertsteuer auf Erdgas gesenkt. Infolgedessen sind die Gaspreise für die privaten Haushalte in Italien um 15 Prozent gesunken und in Frankreich stabil geblieben, obwohl sie in Deutschland um rund 20 Prozent gestiegen sind.

Die Kosten der Energiesubventionen für die öffentlichen Haushalte werden enorm sein und sich in den größeren EU-Ländern auf Dutzende Milliarden Euro belaufen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste.

Diese Preissubventionen werden dazu führen, dass die Gasnachfrage weniger stark fällt als sie es sonst täte. In der Folge werden Verbraucher, die nun also weniger für Gas bezahlen, weniger geneigt sein, die Heizung runterzudrehen und kalt zu duschen.

Europa wird mehr Gas importieren müssen, als es das getan hätte, wenn die Verbraucher aufgrund höherer Energiepreise gezwungen gewesen wären, sich die Knappheit bewusst zu machen. Aber: Wo wollen die europäischen Regierungen eigentlich das zusätzliche Gas hernehmen?

Mehr Nachfrage lässt die Preise weiter steigen

Die meisten Gasproduzenten arbeiten bereits an der Kapazitätsgrenze und werden es nicht schaffen, ihre Förderung in den kommenden Monaten auszuweiten. Die einzige potenzielle Quelle eines zusätzlichen Angebots ist aus Asien umgelenktes Flüssigerdgas (LNG). Doch eine höhere Importnachfrage aus Europa wird den Druck auf die weltweiten LNG-Preise noch weiter erhöhen und damit Europas Importkosten steigern.

Der verkomplizierende Faktor ist, dass die europäischen Länder nicht die einzigen sind, die versuchen, die Verbraucher vor den hohen Gaspreisen zu schützen. Mehrere bedeutende asiatische Importeure, wie etwa Japan und Südkorea, deckeln ebenfalls die Preise für die privaten Haushalte. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass die asiatische Gasnachfrage bisher nur leicht gesunken ist und dass die Gaspreise am Spotmarkt bereits vor Russlands Krieg in der Ukraine hoch waren.

Die asiatischen Preisdeckelungen führen zu höheren Importpreisen für Europa, die dann die europäische Politik veranlassen, die Subventionen zu erhöhen, um die Verbraucherpreise niedrig zu halten. Das wird potenziell einen Teufelskreis zunehmend höherer Spotpreise und höherer Subventionen in Gang setzen. Und aufgrund der enormen Auswirkungen, die EU-weite Subventionen auf die weltweiten Preise hätten, könnten die Preise trotzdem steigen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Es gibt einen besseren Weg. Statt den Verbrauch durch Deckelung der Preise zu subventionieren, sollten die europäischen Regierungen Einsparungen beim Gasverbrauch subventionieren.

Zahlen fürs Sparen. Das würde sich sogar selbst finanzieren

Sie könnten zum Beispiel die Haushalte dafür bezahlen, ihren Verbrauch in diesem Winter zu senken. Auch dies wäre für den Staat mit Kosten verbunden, doch eine aktuelle Analyse legt nahe, dass sich diese Subventionen durch die niedrigeren Importpreise weitgehend selbst tragen würden.

Alternativ könnte die Politik zum Energiesparen ermutigen, indem sie den Haushalten eine begrenzte Preisdeckelung anbietet. Dabei würden die Subventionen eine Basismenge pro Kopf abdecken, und für den darüber liegenden Verbrauch würden die Haushalte den Marktpreis zahlen.

Auf jeden Fall müssten die europäischen Politiker ihren Wählern erklären, dass Gas sehr knapp geworden ist, dass es unmöglich ist, sie komplett vor den höheren Preisen zu schützen und dass entsprechende Versuche hochgradig kontraproduktiv wären. Stattdessen könnten die Regierungen ihre begrenzten Mittel nutzen, um für die Haushalte Anreize zu Sparen zu setzen - und es Europa zu erleichtern, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false