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Emmanuel Macrons und Olaf Scholz vor dem Brandenburger Tor.

© Foto: Michael Kappeler/dpa

Treffen zwischen Macron und Scholz: Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist der Garant für Freiheit und Frieden

Seit Kriegsbeginn hat Ex-Minister Altmaier auf öffentliche Kritik an der Regierung verzichtet. Nun aber sieht er die deutsch-französische Kooperation in Gefahr. Ein Gastbeitrag.

Von Peter Altmaier

Ausgerechnet jetzt ist die deutsch-französische Kooperation außer Tritt geraten. Mitten im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, mitten in einer schweren sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderung für Europa, vor einem Winter der Sorgen und der Ungewissheit für Millionen von Menschen.

Deshalb ist es gut und überfällig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emanuel Macron sich zu intensiven Gesprächen treffen. Und es ist zu hoffen, dass ihnen endlich ein überzeugendes Signal des Aufbruchs und der Führung gelingt.

Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist nicht irgendein Kooperationsmodell oder Gesprächsformat. Sie ist der zentrale Baustein der europäischen Nachkriegsordnung, der Dreh- und Angelpunkt, der Jahrhunderte Feindschaft und der Gewalt beendet und die Europäische Einigung und den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Europas überhaupt erst möglich gemacht hat.

Der Garant für Freiheit, Frieden, Wohlstand, Humanität und Glück. Sie war und ist eine politische und historische Leistung allerersten Ranges: Die gemeinsame Errungenschaft unserer Länder und Völker, trotz vielfacher Irritationen und gelegentlicher Zweifel immer wieder bestätigt, gefestigt und ausgebaut. Sie ist Teil unserer Staatsraison und steht nicht zur Disposition einzelner Politiker und ihrer Befindlichkeiten.

Im Gegensatz zu anderslautenden Behauptungen war die deutsch-französische Partnerschaft selten das Problem, aber fast immer die Lösung. Die Voraussetzung für die Überbrückung von Gräben und Konflikten in der EU insgesamt: Zwischen Nord und Süd, arm und reich, Ost und West.

Emmanuel Macron und Olaf Scholz in Brüssel.

© Foto: AFP/ Olivier Hoslet

Immer dann, wenn Deutsche und Franzosen nach harten und zähen Anstrengungen zu einem wirklichen Kompromiss willens und imstande waren, war die Einigung im größeren Maßstab möglich: Im Kalten Krieg, bei der Deutschen Einheit, bei der Schaffung des Binnenmarktes und der Einführung des Euro, beim Green Deal und beim Wiederaufbau- und Resilienzfonds über 750 Milliarden Euro.

Brauchen gerade jetzt mehr deutsch-französische Zusammenarbeit

Doch seit dem Frühjahr, in seiner größten Bewährungsprobe, wirkt das deutsch-französische Duo seltsam schwach und unentschlossen. Kleinlicher Streit statt großer Würfe, endlose Debatten statt gemeinsamer Konzepte und Führung. Dabei brauchen wir gerade jetzt mehr, nicht weniger deutsch-französische Zusammenarbeit, Selbstvergewisserung nach innen und Ermutigung nach außen.

Es geht um Gaspreisbremsen, gemeinsame Einkäufe von Energie, gemeinsame Verteidigung, Sanktionen gegen Russland und konkrete Hilfe für die Ukraine. Es geht um die Frage, wie wir den Winter überstehen, worauf sich UnternehmerInnen und ArbeitnehmerInnen mittel- und langfristig einstellen müssen, weil Investitionen ohne Planungssicherheit und Perspektiven kaum denkbar sind.

Es geht um die Frage, wie die Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens trotz horrender Gaspreise und weltweiter Energieknappheit sichergestellt werden kann. Und ob sich Europa langfristig gegenüber anderen Weltregionen im Wettbewerb um nachhaltige Innovationen, Arbeitsplätze und Wohlstand behaupten kann.

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Sicher: Die deutsch-französische Freundschaft musste schon oft Belastungen und Bewährungsproben bestehen. Immer wieder gab es Unkenrufe, jedes Mal wurden sie zum Glück widerlegt. Doch richtig ist auch, dass das deutsch-französische Tandem - oder Ehepaar, wie unsere französischen Freunde sagen – immer wieder neu befestigt und errungen werden muss: In jeder neuen Krise, mit jedem neuen Staats- und Regierungschef.  

Sehr oft waren die politischen Mehrheiten in unseren Parlamenten unterschiedlich, ebenso wie die politischen Persönlichkeiten, die für ihre Länder in der Verantwortung standen. Führungsansprüche auf beiden Seiten und immer wieder die Vermutung, dass die Position des jeweiligen Nachbarn nicht die richtige ist.

Gespräche mit französischen Partnern sind unverzichtbar

Und dennoch: Zu jeder Freundschaft gehört das Bewusstsein, dass der Andere Recht haben könnte und dass eine belastbare Grundlage nur entsteht, wenn beide sich gegenseitig verstehen und entgegenkommen. Die deutsch-französische Freundschaft ist nicht deshalb so wichtig, weil wir fast immer einer Meinung wären, sondern weil wir aufgrund unterschiedlicher Interessen, Erfahrungen und Mentalitäten häufig eben zu gegensätzlichen Positionen gelangen.

Das habe ich wieder und wieder erfahren: Im Bundesinnenministerium, als Umwelt- Kanzleramts-, Wirtschafts-, Handels-, Energie- oder kurzzeitiger Finanzminister: Stets war mir das Gespräch mit meinen französischen Partnern (und Freunden) unverzichtbar.

Ungezählte Male mit meinem persönlichen Freund Bruno Le Maire, aber auch mit vielen anderen. Bei jedem Problem war es der erste Griff zum Telefon, bei jeder Ministerratssitzung das erste Gespräch am Rande. Manchmal schien es aussichtslos, aber am Ende stand (fast) immer eine gemeinsame Position.

Diese wertvolle Erfahrung machten hunderte von Ministern, Staatssekretären und Beamten in den letzten 70 Jahren. Ich bin sehr froh und dankbar, dass mein Nachfolger Robert Habeck in der Ampel-Regierung offenbar zu denjenigen gehört, die viel Zeit und Empathie in diese Aufgabe investieren.

Doch ohne das Einvernehmen der Staats- und Regierungschefs kann und wird es nicht gelingen. Sie sind weithin sichtbar das Vorbild für alle anderen, sie beeinflussen die Meinungen bei sich zuhause, bestimmen das Bild des Deutsch-Französischen in der Öffentlichkeit. Es hat funktioniert zwischen so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer und Charles De Gaulle, Helmut Schmidt und Valerie Giscard d´Estaing, Helmut Kohl und Francois Mitterrand, Gerhard Schröder und Jacques Chirac.

Und auch zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und Francois Hollande, Angela Merkel und Emanuel Marcron. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die letzten Jahre gute, ja sehr gute Jahre für die deutsch französische Zusammenarbeit waren. Jeder neue Staats- und Regierungschef muss sich in diese Tradition einfügen, jeder neu Gewählte muss unter Beweis stellen, dass es ihm mit der deutsch-französischen Partnerschaft ernst ist.

Nicolas Sarkozy und Angela Merkel.

©  AFP/pa/dpa

Und dazu gehören Sympathie und Empathie ebenso wie die ernsthafte Bereitschaft zur Gemeinsamkeit. Zehn Monate sind seit dem Antritt der neuen deutschen Regierung vergangen: Eigentlich Zeit genug, um sich kennen und verstehen zu lernen.

Seit Kriegsbeginn habe ich konsequent auf öffentliche Kritik an der Bundesregierung verzichtet, auch wenn mich nicht alle Entscheidungen überzeugt haben. Ich war und bin der Auffassung, dass wir in der größten Zivilisationskatastrophe der Nachkriegszeit über Parteigrenzen hinweg zusammenstehen müssen. Aber ich kann und werde nicht schweigen, wenn Gefahr besteht, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit Schaden nimmt. Sie ist mit das Wertvollste, das wir geschaffen haben, ihr dauerhafter Erhalt ist Auftrag an jeden Einzelnen von uns.

Vor 50 Jahren wandte sich der französische Präsident Charles de Gaulle von Ludwigsburg aus mit einer bewegenden Rede an die Deutsche Jugend und reichte die Hand zu einem neuen Anfang zwischen unseren Völkern, ausdrücklich auf die Gestaltung der Zukunft gerichtet. Das muss uns bleibend Auftrag und Verpflichtung sein.

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