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Bundeswehreinsatz: Afghanistan soll neu bewertet werden

Regierung prüft Neubewertung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Stabilisierungs- oder Kampfeinsatz? Kriegsähnliche Zustände oder nichtinternationaler bewaffneter Konflikt? Bei der begrifflichen Bestimmung der Afghanistanmission der Bundeswehr gilt es nicht nur, richtige, klare Worte um ihrer selbst willen zu finden.

Von Michael Schmidt

– vielmehr geht es um eine völkerrechtliche Einordnung und Rechtssicherheit für die Soldaten, um eine Frage mit weitreichenden Folgen für die juristische Beurteilung des militärischen Vorgehens deutscher Soldaten also. Unter dem Druck der Gefechte am Hindukusch wird die Bundesregierung voraussichtlich in Kürze die Kriegswirklichkeit öffentlich anerkennen. Wie am Freitag bekannt wurde, will die Bundesregierung jetzt, acht Jahre nach dem Beginn des Bundeswehreinsatzes, diesen neu bewerten und künftig von einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt sprechen.

Bisher wurde die ursprünglich nur für kurze Zeit als Wiederaufbauhilfe geplante Mission am Hindukusch als Stabilisierungseinsatz eingestuft. Der Begriff Krieg soll auch jetzt nicht fallen, weil er nur auf einen Konflikt zwischen Staaten zutreffe. In Afghanistan aber kämpfen internationale Truppen gemeinsam mit der afghanischen Armee gegen Aufständische. Eine entsprechende Initiative von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werde in der Regierung abgestimmt, verlautete am Freitag am Rande der CSU-Klausur im bayerischen Wildbad Kreuth.

Zugleich arbeitet die Regierung mit Hochdruck daran, inwieweit Deutschland nach der Truppenaufstockung der USA seinen Einsatz in Afghanistan verstärken könnte. Beraten wird offenbar eine mögliche Entsendung zusätzlicher Soldaten. Derzeit liegt die Obergrenze bei 4500 Mann. Dabei streiten Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein Kabinettskollege Guttenberg über den richtigen Kurs für die Afghanistankonferenz Ende des Monats in London. Westerwelle hat wiederholt deutlich gemacht, dass er eine frühzeitige Festlegung auf mehr Soldaten nicht mittragen, sondern sich stattdessen für eine verstärkte Polizeiausbildung stark machen werde. Guttenberg weiß um die Begehrlichkeiten der USA, schließt eine Truppenaufstockung daher nicht aus – hält aber Forderungen nach 2500 zusätzlichen Soldaten für „unrealistisch“.

Der CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sagte zum Abschluss der Konferenz in Wildbad Kreuth, die Bundesregierung prüfe derzeit, inwieweit die „Vorgänge“ in Afghanistan unter die Kategorie „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“ fallen. „Das ist keine leichte Aufgabe“, sagte Friedrich. Es sei mit „juristischen Nebenwirkungen“ zu rechnen.

Mit der Einstufung als nichtinternationaler bewaffneter Konflikt sind die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuchs zu Kriegsverbrechen anwendbar. Danach dürfen Militärziele angegriffen und Kämpfer getötet werden. „Die Annahme eines bewaffneten Konflikts hat für das Militär den Vorteil, dass es Dinge tun darf, die im Frieden untersagt sind“, hatte der Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos im November in der Debatte um die strafrechtlichen Konsequenzen für den deutschen Oberst erklärt, der am 4. September 2009 im nordafghanischen Kundus die Bombardierung zweier von Taliban gekaperter Tanklastwagen angeordnet hatte. Dabei wurden bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt. Die Bundesanwaltschaft prüft seit November, ob der Luftangriff von Kundus unter das Völkerstrafrecht fällt. Eine entsprechende Bewertung durch die Bundesregierung dürfte auch Signalwirkung für den Fall des Obersts haben.

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