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Hubert Aiwanger Freie Waehler, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie / Pressekonferenz zum Thema Ferienjobs und Praktika im Gastgewerbe / Biergarten des Paulaner am Nockherberg / Nockherberg / 27.007.2023 *** Hubert Aiwanger Free Voters, Bavarian State Minister for Economic Affairs, Regional Development and Energy Press conference on the subject of vacation jobs and internships in the hospitality industry Beer garden of the Paulaner am Nockherberg Nockherberg 27 007 2023

© IMAGO/Stephan Görlich

Aiwanger-Affäre: Mitschüler erinnert „Hitler-Slang“ und „Witze“ über Juden

Zwei Klassenkameraden schildern hetzerische Sprüche des heutigen bayerischen Vize-Ministerpräsidenten.

Vier Tage lang schwieg Hubert Aiwanger auf X, dem früheren Twitter; ungewöhnlich lange für seine Verhältnisse. Am Mittwochmorgen war auf dem Profil des Freie-Wähler-Parteichefs zu lesen: „#Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los. #Aiwanger“. Mit „Schmutz“ dürfte Aiwanger die Veröffentlichungen und Berichte über sein Verhalten im Kontext des antisemitischen Flugblatts aus seiner Jugend meinen, und nicht die Hetze des Flugblatts selbst.

Ebenfalls vier Tage nach der ersten Veröffentlichung der „Süddeutschen Zeitung“ über das antisemitische Flugblatt wächst der politische Druck auf Aiwanger. So sprach mit dem früheren Aiwanger-Klassenkameraden Mario Bauer erstmalig ein Zeuge offen vor laufender Kamera über die gemeinsamen Schuljahre. Aiwanger habe „judenfeindliche Witze über Auschwitz und so weiter“ erzählt, sagte Bauer dem Bayerischen Rundfunk (BR).

Der heutige stellvertretende bayerische Ministerpräsidenten soll als Schüler außerdem beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers früher ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“ haben, sagte Bauer, Aiwangers Mitschüler von der 7. bis zur 9. Klasse. Zudem habe Aiwanger „sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht, in diesem Hitler-Slang“.

Aiwanger wies die Vorwürfe zurück. Er könne sich nicht erinnern, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. „Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Er sei „weder Antisemit noch Extremist“. Zu dem antisemitischen Flugblatt, von dem er nach früherem Eingeständnis eines oder mehrere Exemplare in der Schultasche hatte, sagte er: „Was in diesem Flugblatt steht ist wirklich abscheulich. Ich bin aus tiefstem Herzen Demokrat und Menschenfreund.“ 

Ein weiterer Mitschüler gab gegenüber dem BR eine eidesstattliche Versicherung ab, wollte aber zum Schutz von Angehörigen namentlich nicht genannt werden. Er berichtete von einer Schulfahrt mit der 10. Klasse in die damalige DDR im Mai 1987. Im Zuge der Fahrt sei eine KZ-Gedenkstätte besucht worden. „An einem Abend ist mir sehr stark aufgestoßen, dass er (Aiwanger, d. Red.) einen Witz über Juden gemacht hat, der mir als sehr abstoßend in Erinnerung geblieben ist“, sagte der Klassenkamerad dem BR. Im Alltag habe Hubert Aiwanger mehrfach extrem abwertend über türkische Mitbürger, Dunkelhäutige und Homosexuelle gesprochen.

Flugblatt ist in KZ-Gedenkstätte Dachau archiviert

Außerdem wurde bekannt, dass das antisemitische Flugblatt aus Schulzeiten, für dessen Urheberschaft jetzt Aiwangers Bruder Helmut Aiwanger die Verantwortung als Autor übernommen hat, als Teil einer Schülerarbeit in der KZ-Gedenkstätte Dachau archiviert ist, wie die „Welt“ berichtete.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte Aiwanger auf, alle im Raum stehenden Vorwürfe betreffend dessen Schulzeit schnell und umfassend zu klären. „Da darf kein Verdacht übrig bleiben“, sagte Söder am Mittwoch am im oberbayerischen Beilngries. 25 Fragen habe man ihm übermittelt: „Dazu sollen wir eine zeitnahe und maximal transparente Antwort auch erhalten, so dass wir dann auch eine glaubwürdige Diskussion darüber führen können, wie wir das bewerten“, sagte Söder.

Bayerns FDP-Fraktionschef Martin Hagen bot Söder seine Partei als Koalitionspartner an. Wenn Söder noch bundespolitische Ambitionen habe, „kann er sich keinen Stellvertreter leisten, der braune Flecken in seiner Vita hat und einen ehrlichen, selbstkritischen Umgang damit verweigert“, sagte Hagen der Mediengruppe Bayern. „Ein bürgerliches schwarz-gelbes Bündnis“ sei „das Beste“ für Bayern. Die FDP liegt in den beiden jüngsten Umfragen vor der Bayern-Wahl in gut fünf Wochen allerdings bei nur vier Prozent der Wählerstimmen. Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze sagte dem Sender RTL: „Hubert Aiwanger ist nicht mehr tragbar.“ Auch die Spitzen der Berliner Ampel-Koalition gingen auf die Distanz zu Aiwanger. Es dürfe bei der Aufklärung „nichts vertuscht und verwischt“ werden, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD). (mit dpa) 

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