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Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.

© dpa/Britta Pedersen

Ärger wegen Kürzungen für Bauern: Cem Özdemir kämpft auch um seine Zukunft

Keinem anderen Minister bereitet der Sparhaushalt der Ampel so großen Ärger wie Cem Özdemir von den Grünen. Der Landwirtschaftsminister kämpft für die Bauern – und für seine Karriere.

Am Abend nach der bitteren Nachricht sitzt Cem Özdemir neben Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und versucht sich in einen Witz zu retten. Politik sei Sisyphosarbeit, oft müsse man immer wieder von vorne anfangen, sagt der Bundeslandwirtschaftsminister: „Ich weiß, dass man sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen muss.“

Er sage sich jeden Morgen auf dem Weg ins Büro, er sei glücklich und lächle dabei. „Es hilft manchmal – Autosuggestion.“ Große Lacher im Saal der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin.

Sein Publikum kann er noch zum Lachen bringen, selbst hat er dazu gerade wenig Anlass. In den ersten beiden Ampeljahren ist der Grünen-Politiker, der davor keine Berührungspunkte mit der Landwirtschaft hatte, halbwegs unfallfrei durch sein Amt gekommen.

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Ein bisschen Ärger beim Stallausbau, Blockade seines geplanten Werbeverbots für Zuckerprodukte für Kinder – gemäßigter Gegenwind als Minister. Doch nun beschert ihm die eigene Koalitionsspitze ausgerechnet kurz vor Weihnachten seine erste große Krise.

Auf diese Idee wäre ich nicht gekommen.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) über die Streichungen von Agrardiesel-Subvention und Kfz-Steuererleichterungen.

Seit bekannt ist, dass im Rahmen des Sparhaushalts der Ampel die Subvention für Agrardiesel und gleichzeitig auch die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge gestrichen werden sollen, hat Özdemir ein Problem. Es dauerte nur vier Tage, bis mehr als 6000 Bauern mit ihren Traktoren und jeder Menge Wut vor dem Brandenburger Tor standen und Özdemir ausbuhten.

Dabei hat sich der Landwirtschaftsminister schnell gegen die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und FDP-Finanzminister Christian Lindner gestellt. Auch an diesem Mittwoch im Kabinett soll er Protest eingelegt haben.

Hinter vorgehaltener Hand finden das selbst in seiner Partei nicht alle so gelungen, denn seit Özdemirs Kritik wird der mühsam gefundene Kompromiss wieder von Teilen der FDP und der SPD infrage gestellt. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat ihnen dafür die Rampe gebaut.

Doch Özdemir steht unter Druck. „Auf diese Idee wäre ich nicht gekommen“, kritisierte er vergangene Woche in der Landesvertretung die doppelte Streichung und erklärte, es gebe ja keine Alternative für Bauern. Man könne schwere Traktoren nicht elektrisch bewegen. „Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen ist der Politik bis jetzt noch nicht gelungen“, ätzte Özdemir, während Kretschmann neben ihm zustimmend nickte.

Es geht in der aktuellen Krise auch um Özdemirs Zukunft. Bei den Grünen hoffen inzwischen fast alle, dass er 2026 versuchen wird, Kretschmann im Ländle als einzigen grünen Ministerpräsidenten zu beerben. Doch im ländlich geprägten Baden-Württemberg kommen die Sparpläne der Ampel besonders schlecht an, Özdemirs Image könnte einen tiefen Kratzer bekommen.

Sagte Özdemir im Parlament die Unwahrheit?

Zumal dem 57-Jährigen nicht nur die Bauern im Nacken sitzen, sondern auch die Opposition. Dort gibt es erhebliche Zweifel, ob es Özdemir in seiner Krisenkommunikation mit der Wahrheit ganz genau genommen hat. „Bei Cem Özdemir brennt die Hütte. Er muss jetzt dringend aufklären, was er wann von den einseitigen Kürzungsplänen zulasten der deutschen Landwirte gewusst hat“, sagt CDU-Bundestagsvize Steffen Bilger dem Tagesspiegel.

Hintergrund sind Özdemirs Aussagen bei der Regierungsbefragung vergangenen Mittwoch, nur wenige Stunden nach dem Haushaltskompromiss. Auf Bilgers Frage, wie es nun um den Agrardiesel stehe, sagte Özdemir im Bundestag: „Ich bin sehr gespannt auf den Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium, wie genau die Umsetzung ist. Sie wissen es nicht, ich weiß es nicht. Wir werden es gemeinsam erfahren.“

Doch wenige Minuten zuvor hatte sein Ministerium bereits Zitate des Ministers verschickt: „Mir wurden die Ergebnisse der Gespräche am Morgen mitgeteilt“, heißt es dort. Die Kürzung von Agrardiesel-Subventionen und Kfz-Steuerbefreiungen halte er für „problematisch“.

Seine Glaubwürdigkeit hat durch die Vorgänge rund um die geplanten Streichungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer-Befreiung bereits jetzt einen Tiefpunkt erreicht – bei den Landwirten, aber auch im Parlament.

CDU-Bundestagsvize Steffen Bilger über Cem Özdemir

Aus dem Umfeld Özdemirs heißt es verteidigend, es habe zu diesem Zeitpunkt noch nichts Schriftliches vorgelegen. Zudem liege die Verantwortung über die Agrardiesel-Subvention im Finanzministerium von Christian Lindner.

CDU-Mann Bilger, wie Özdemir aus dem Südwesten, fordert trotzdem schleunigst Aufklärung von Özdemir: „Seine Glaubwürdigkeit hat durch die Vorgänge rund um die geplanten Streichungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer-Befreiung bereits jetzt einen Tiefpunkt erreicht – bei den Landwirten, aber auch im Parlament.“

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