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Ein Pfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Bewohnerin.

© picture alliance/dpa/Oliver Berg

Armutsfalle Pflegeheim: Immer mehr Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen

Obwohl die Renten überdurchschnittlich steigen, können sich immer mehr Heimbewohner laut einer Studie die Pflegekosten nicht mehr leisten.

Wegen steigender Kosten rutschen immer mehr Heimbewohner in Deutschland wieder in die Sozialhilfe. Das Pflegeheim erweise sich zunehmend als Armutsfalle, heißt es in der am Dienstag in Berlin veröffentlichten Studie des Bremer Pflegeforschers Heinz Rothgang im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit.

Die Eigenanteile für die Pflege im Heim werden seit Jahren höher. Zwar hatte die Bundesregierung 2022 ein System von Entlastungszuschlägen eingeführt, die mit der Pflegedauer steigen. Dennoch stieg der durchschnittliche Eigenanteil der Bewohner zum Jahreswechsel auf 2468 Euro pro Monat.

Vor Umsetzung der Reform seit dem 1. Januar 2022 hatte die Quote der Sozialhilfeempfänger mit 36,8 Prozent ihren höchsten Wert seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 erreicht. Dieser Wert konnte im vergangenen Jahr durch die Einführung der Leistungszuschläge auf rund 30,5 Prozent reduziert werden. Aber bereits in diesem Jahr wird die Sozialhilfequote trotz einer überdurchschnittlichen Rentensteigerung von mehr als sechs Prozent wieder auf 32,5 Prozent steigen. 2026 werden bereits wieder 36 Prozent erreicht, heißt es in der Studie.

14
Milliarden Euro kostet eine Pflegereform laut DAK-Chef Andreas Storm.

Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, forderte von der Bundesregierung, diese Quote auf unter 30 Prozent zu begrenzen. Der Finanzbedarf von 14 Milliarden Euro für eine umfassende Pflegereform erfordere einen fairen Finanzierungsmix aus Steuern und Beiträgen.

Rothgang, der Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen lehrt, betonte, trotz der bisherigen Reformen würden ab Mitte dieses Jahres im Durchschnitt Eigenanteilswerte erreicht, die höher seien als jemals zuvor. „Die Entlastungen der jüngsten Reformschritte sind bei den Eigenanteilen schon in diesem Jahr verpufft.“

Die Pflegeversicherung war 1995 eingerichtet worden, um die stark angestiegene Sozialhilfequote in den Alteneinrichtungen zu verringern und auch die Kommunen zu entlasten. Sie ist allerdings nur eine Teilkasko-Versicherung. Für Heimbewohner kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen hinzu. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für dieses Jahr eine Pflegereform angekündigt.

Storm forderte eine schnelle Prüfung, wie die kontinuierlich steigenden Eigenanteile weiter gesenkt werden könnten. Er schlägt vor, die pauschalen Leistungsbeträge für den vollstationären Bereich erneut anzuheben. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Herausnahme der Ausbildungskostenumlage aus den Pflegekosten wäre ein dringend notwendiger Schritt, hieß es.

Darüber hinaus müsse die ambulante Versorgung gestärkt werden, so Storm: „Damit Menschen gar nicht erst ins Pflegeheim kommen, müssen wir die Pflege in den eigenen vier Wänden viel stärker fördern.“ Der Kassenchef forderte zudem einen deutlich höheren Steuerzuschuss für die Pflege: „Kindererziehung, Angehörigenpflege und die Bekämpfung des Pflegenotstandes sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die ähnlich wie die Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung aus Steuermitteln finanziert werden müssen.“

Wir sind an einem Punkt angekommen, wo gilt: Wer pflegebedürftig wird, muss Armut fürchten.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands

Eine grundlegende Reform forderte auch der Paritätische Gesamtverband. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo gilt: Wer pflegebedürftig wird, muss Armut fürchten“, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Er forderte den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Pflegevollversicherung, auch für den ambulanten Bereich. Die Pflegeexpertin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, forderte insbesondere eine Stabilisierung der häuslichen Pflege. „Der Wert der ambulanten Sachleistungen verfällt inflationsbedingt deutlich, so dass sich pflegende Angehörige immer weniger professionelle Hilfe leisten können.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem „Kosten-Tsunami in der Altenpflege“. Vorstand Eugen Brysch forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch) für jeden Betroffenen ab sofort 300 Euro monatlich mehr. Auch ein Inflationsausgleich bei den Pflegeleistungen sei unverzüglich einzuführen.

Der Sozialverband VdK forderte Vorrang für die Pflege von Angehörigen zu Hause. Präsidentin Verena Bentele sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wir fordern einen Rechtsanspruch auf Tagespflege, vergleichbar mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz.“ (KNA)

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