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Eher düster ist die Beziehung zwischen den USA und dem Iran derzeit.

© REUTERS / Carlos Barria

Atomabkommen mit dem Iran: Sanktionen statt Deal

Die Proteste im Iran und die brutale Reaktion des Regimes in Teheran erschweren die Verhandlungen um ein Atomabkommen. Nun kündigen die USA Sanktionen an

Die Protestwelle im Iran erschwert eine Einigung zwischen Teheran und dem Westen auf einen neuen Atomvertrag. Das geplante Abkommen sieht strenge Kontrollen im Iran vor, um den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern; im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen gegen Teheran abgebaut werden.

Doch erst einmal verhängt der Westen neue Sanktionen: Die USA gaben jetzt Strafmaßnahmen gegen sieben Regimevertreter im Iran bekannt, die an der Unterdrückung der Protestwelle beteiligt sind. Die EU will bald nachziehen.

Seit anderthalb Jahren verhandeln der Iran und der Westen in Wien. Inhaltlich stehen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss, doch westliche Politiker wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das iranische Regime mit Milliardensummen aus dem Sanktionsabbau zu unterstützen, während in Teheran auf Demonstranten geschossen wird.

Dabei sind beide Seiten grundsätzlich an einer neuen Vereinbarung interessiert. Der Iran braucht dringend mehr Zugang zu den Weltmärkten für sein Öl, um die heimische Wirtschaft aus der Dauerkrise zu holen. Außenminister Hossein Amir-Abdollahian lobte vor einigen Tagen, die USA zeigten „ein besseres Verständnis“ in den Atomverhandlungen. In mehreren Bereichen gebe es Einigkeit.

USA und Europa befürchten, dass der Iran ohne die Fesseln eines neuen Abkommens bald in der Lage sein wird, eine Atombombe zu bauen. Dann würde das Risiko eines Krieges im Nahen Osten steigen, denn Irans Gegner wie Israel und Saudi-Arabien dürften das nicht unbeantwortet lassen.

Das erste Abkommen von 2015 konnte das iranische Atomprogramm bremsen, doch seit dem Ausstieg der USA unter Präsident Donald Trump im Jahr 2018 lehnt der Iran immer mehr Kontrollen ab. Trumps Nachfolger Joe Biden will deshalb einen neuen Vertrag.

Schon vor dem Ausbruch der Unruhen im Iran vor drei Wochen wurde aber besonders in den USA schon Kritik am neuen Entwurf laut. Biden wolle den Iran mit Milliardensummen belohnen, sagten Gegner. Die Unruhen haben Bidens Zwangslage noch verstärkt, sagte der Iran-Experte Alex Vatanka dem Tagesspiegel.

Der Präsident werde versuchen, die Atomfrage und die Unruhen auseinander zu halten, meint Vatanka, Chef des Iran-Programms am Nahost-Institut in Washington. Biden strebe weiter einen neuen Atom-Deal an, wolle zugleich aber viele Sanktionen gegen den Iran wegen Menschenrechtsverletzungen beibehalten. „Er hat einen Drahtseilakt vor sich“, sagte Vatanka über den US-Präsidenten.

Der Protest im Iran verändert das Spiel.

Joe Macaron, Nahost-Experte

Am Ende werde es wohl dennoch eine Einigung stehen, meint Joe Macaron, Nahost-Experte und früherer UN-Berater in Paris. „Der Protest im Iran verändert das Spiel, aber ich glaube nicht, dass die Proteste auf lange Sicht negative oder positive Folgen für den Atomvertrag haben werden“, sagte Macaron dem Tagesspiegel. „Ich glaube, der Westen verfolgt dieses Abkommen weiter, und zwar aus geopolitischen Gründen.“

Zunächst müssen die Atomverhandlungen aber die neue Sanktionsrunde des Westens wegen der Iran-Unruhen überstehen. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa wächst die Bereitschaft zu härteren Maßnahmen im Umgang mit dem iranischen Regime.

Baerbock sagt Demonstranten Solidarität zu

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schrieb auf Twitter, der Mut der Iraner und Iranerinnen bei den Protesten sei „unglaublich“. Die „rohe Gewalt des Regimes“ zeuge von „der puren Angst vor der Kraft von Bildung und Freiheit.“ Die Möglichkeiten Deutschlands, etwas für die Demonstranten im Iran zu tun, seien zwar begrenzt. „Aber wir können ihre Stimme verstärken, Öffentlichkeit schaffen, anklagen und sanktionieren. Und das tun wir.“

Zusammen mit anderen EU-Staaten hat Deutschland neue Iran-Sanktionen vorgeschlagen, die sich gegen Regimevertreter und Institutionen richten sollen, die an der Gewalt gegen die Demonstranten beteiligt sind. Am 17. Oktober sollen die Maßnahmen beschlossen werden. Ob und wann in Wien dann weiter verhandelt wird, ist offen. Thomas Seibert

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