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Schlechte Nachrichten: Karl Lauterbach kündigt in seinem Ministerium die Beitragserhöhung an.

© dpa/Kay Nietfeld

Finanzlücke der Krankenkassen: Auch Lauterbach trägt Schuld an der Misere

Der Gesundheitsminister schiebt seinem Vorgänger Jens Spahn die Verantwortung für den Reformstau zu. Dabei war er selbst mit daran beteiligt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat gerade die Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, mit dem die Finanzmisere der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) kurzfristig gemildert werden soll, und schnell war klar, dass sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) fast vollständig mit seinen Vorstellungen durchgesetzt hat.

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Zahlen müssen nun vor allem die GKV-Mitglieder, sie erwarten ab nächstem Jahr so hohe Beiträge wie nie zuvor. Im Gegenzug fällt der von Lauterbach und den Kassen geforderte Steuerzuschuss weit geringer aus als erhofft.

Doch der „Beitragsschock“, von dem nun viele sprechen, er ist in Wahrheit nur ein erster Warnschuss: Denn die Situation der Krankenkassen und damit der Versicherten droht in den kommenden Jahren noch viel schlimmer zu werden. Es ist ein Drama mit Ansage – nur können die Mahnungen nun nicht mehr, wie in den vergangenen Jahren, ignoriert werden.

Mindestens 17 Milliarden Euro fehlen der GKV im kommenden Jahr, durch den Ukrainekrieg könnte das Defizit aber gut auf weit über 20 Milliarden steigen. Das Minus ist - anders als landläufig gerne geglaubt - keine Corona-Folge, sondern maßgeblich Resultat der Versäumnisse vergangener Jahre. Es ist nicht allzu lange her, dass die Krankenkassen sehr viel Geld zur Verfügung hatten.

Damals Gesundheitsminister: Jens Spahn (CDU) im Jahr 2020.

© dpa/Bernd Thissen

Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) wurde deswegen in seiner Amtszeit zu allzu populären Maßnahmen verleitet. Zum Beispiel dazu, Terminservicestellen einzurichten und Ärzte zusätzlich zu vergüten, die darüber Neupatienten aufnehmen. Das meinte Lauterbach, als er Spahn gerade vorwarf, ihm einen Reformstau und teure Gesetze hinterlassen zu haben.

Aber, und das scheint Lauterbach vergessen zu haben: Er saß dabei als SPD-Gesundheitsexperte nicht nur im großkoalitionären Boot, sondern sogar mit am Steuer. Als Fraktionsvize verhandelte er jedes Spahn-Gesetz mit und betonte immer wieder, damit deutliche SPD-Handschrift in die Gesundheitspolitik einzubringen – speziell mit dem Terminservicegesetz, das helfe, so Lauterbach damals selbstbewusst, die „Zweiklassenmedizin“ zu beenden.

Lauterbach leert die Rücklagen der Krankenkassen

Als Minister steht Lauterbach nun vor den Scherben der Gesundheitspolitik nicht nur Spahns, sondern vieler Amtsinhaber zuvor. Dringend nötige Reformen wurden in dieser Zeit verschleppt, denn die finanziellen Reserven waren da.

Neben der Beitragsanhebung um 0,3 Prozentpunkte leert Lauterbach nun die vorletzten Rücklagen der Krankenkassen – Gelder also der GKV-Mitglieder. Zudem drängt er die GKV dazu, sich über ein „Bundesdarlehen“ zu verschulden. Das reicht mit etwas Glück, um das kommende Jahr zu bestehen, für mehr aber nicht.

Bereits jetzt werden Leistungen gekürzt

Nach Schätzungen von GKV-Experten steigt das Defizit, wird nicht gegengesteuert, ab sofort jedes Jahr um zusätzliche vier bis fünf Milliarden Euro. Da es bei den Kassen aber im kommenden Jahr keine Rücklagen mehr zu holen gibt, drohen dann Beitragsanhebungen, die den jetzigen Sprung durchaus um ein Mehrfaches übertreffen könnten. Und zwar im Jahresrhythmus.

Hinzu könnten Leistungskürzungen kommen, die Lauterbach bislang ausschließt. Das Versprechen aber konnte er schon jetzt nicht ganz halten: Denn natürlich ist es eine Leistungskürzung, wenn besonders „komplizierte“, also etwa multimorbide Patienten, demnächst schwerer an Arzttermine kommen, weil Ärzte kein Zusatzhonorar mehr für Neupatienten bekommen.

Es braucht eine nachhaltige GKV-Reform

Die dringend angemahnten GKV-Reformen, sie hätten angegangen werden müssen, als das nötige Startgeld dafür vorhanden war. Jetzt werden sie zur Operation am offenen Herzen, während im Operationssaal schon das Licht flackert.

Lauterbachs größte gesundheitspolitische Herausforderung bleibt die gleiche, wie sie es vor der Präsentation der Eckpunkte war: eine nachhaltige GKV-Reform, die einen Exodus derer verhindert, die sich eine private Versicherung leisten können. Die Suche nach Schuldigen und der Fingerzeig auf Spahn mögen vorübergehend ablenken. Weiter bringt das aber niemanden.

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