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Politik: Aufpassen und Alarm schlagen - wie Nicht-Regierungsorganisationen arbeiten und an Einfluss gewinnen

Jeden Tag veröffentlichen die Umweltverbände in Bonn auf der Klimakonferenz das Informationsblatt ECO, um über die neuesten Stand der Verhandlungen zu berichten. Darin verleihen sie auch die Auszeichnug "Fossil des Tages", womit der "schlimmste Bremser" bei den Klimaverhandlungen gebrandmarkt werden soll.

Jeden Tag veröffentlichen die Umweltverbände in Bonn auf der Klimakonferenz das Informationsblatt ECO, um über die neuesten Stand der Verhandlungen zu berichten. Darin verleihen sie auch die Auszeichnug "Fossil des Tages", womit der "schlimmste Bremser" bei den Klimaverhandlungen gebrandmarkt werden soll. In Bonn wachen rund 200 Nichtregierungsorganisationen (NGOs, vom englischen Begriff Non-Governmental Organisations) über die Verhandlungen zum internationalen Klimaschutz. Seit der Rio-Konferenz 1992 zu Umwelt und Entwicklung sind sie von solchen Veranstaltungen nicht mehr wegzudenken.

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Machten sie früher mit lautstarken Protesten und Transparenten auf sich aufmerksam, laufen ihre Vertreter heute im Anzug durch die Konferenzsäle und tragen ihre Positionen den offiziellen Verhandlungsdelegationen der Staaten vor. Sie werden benötigt, ihr Einfluss ist gewachsen. Doch sie verstehen sich auch als Übersetzer komplizierter Vorgänge für die Öffentlichkeit. So haben sie vor Beginn der Konferenz eine unüberschaubare Zahl von Broschüren und Internetseiten mit Material gefüllt.

Das Forum Umwelt & Entwicklung, ein Zusammenschluss von 60 deutschen NGOs, macht Lobbyarbeit bei der Bundesregierung und pflegt gute Beziehungen zu den Regierungsdelegationen. Als sachkundige Beobachter seien sie dort sehr geschätzt, betont Jürgen Maier und fügt hinzu, dass "unsere Experten manchmal erfahrener sind als Beamte, die gerade beim Regierungswechsel ausgetauscht wurden". Die steigende Bedeutung der NGOs ist jedoch auch problematisch. Zwar sind sie gern als konstruktive Kritiker und Impulsgeber für alternative Lösungsvorschläge gefragt. Auch verknüpften sie die verschiedenen Interessensgruppen der Gesellschaft, erklärt der Politologe Achim Brunnengräber von der FU Berlin. Er meint, sie würden aber Gefahr laufen, sich in dem elitären Prozess von "Jet-Set-Politik" und Konferenztourismus vereinnahmen zu lassen. Kritiker monieren auch die demokratische Legitimation von NGOs. Wardenbach entgegnet dem jedoch, dass bei Wirtschaftsverbänden niemand die Frage nach ihrer Legitimation stellen würde, und es völlig normal sei, dass sie ihre Interessen vertreten.

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NGOs sind vor allem in den Bereichen Umwelt und Soziales vertreten. Auch wenn einige Organisationen, wie die früher heftig kritisierte Weltbank, nun auf Transparenz und Zusammenarbeit mit NGOs setzen, werden die "harten" Themen Wirtschaft und Finanzen bisher noch weitestgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt, sei es bei der WTO, dem IWF oder den G-7-Treffen der führenden Industriestaaten. Doch auch hier gibt es Bewegung. Zum WTO-Treffen Ende November in Seattle, bei dem auch weltweit gültige Sozial- und Umweltstandards verhandelt werden, sind NGOs erstmals eingeladen.

Langsam rücken Unternehmen ins Blickfeld der NGOs und Allianzen werden gebildet. So der "Business Council für Sustainable Energy Future" in Europa, in dem sich Firmen und Organisationen zusammengeschlossen haben, die nachhaltige Energiekonzepte fördern wollen. Beobachter meinen denn auch, die private Wirtschaft hätte als neuer Hoffnungsträger den NGOs den Rang abgelaufen. So fällt sieben Jahre nach Rio das Fazit der NGOs nüchtern aus. Die Feindbilder von damals stimmen nicht mehr. Shell zum Beispiel, zu Zeiten von Brent Spar noch ein klarer Gegner, investiert heute massiv in den Ausbau der Solartechnik und hat sogar einen Geschäftsbereich "Erneuerbare Energien" eingerichtet.

Michael Streck

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