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Polizisten führen bei einer Razzia im Clanmilieu in Solingen (NRW) einen Verdächtigen ab.

© dpa / Roberto Pfeil

Update

Auftragskiller, Schlägereien, KaDeWe-Überfall: Das ist der Al-Zein-Clan, gegen den die Polizei jetzt bundesweit vorgeht

Hunderte Beamte durchsuchen am Mittwoch Anschriften der bekannten Großfamilie. In NRW wird derweil über „Clan-Kriminalität“ gestritten.

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Bei einer Razzia gegen namhafte Mitglieder des Al-Zein-Clans sollen Beweismittel sichergestellt worden sein, zudem hätten sich vereinzelt Hinweise auf Straftaten ergeben, die nicht im Fokus des Einsatzes standen. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Justizkreisen, offiziell bestätigt sind die Angaben nicht.

Seit dem frühen Mittwoch werden Wohnanschriften von mehr als 50 Beschuldigten der bekannten Großfamilie durchsucht. Es geht um zwei umfangreiche Ermittlungsverfahren: die Unterschlagung geliehener Autos sowie der systemtische Betrug mit staatlicher Corona-Hilfe.

Hunderte Beamte sind im Einsatz, noch am Vormittag sollten Haftbefehle vollstreckt werden. Schwerpunkt der Durchsuchungen ist Nordrhein-Westfalen, das Landeskriminalamt NRW führt die Ermittlungen. Es gab Durchsuchungen in Solingen, Dortmund und Bochum, zudem in Städten in Niedersachsen und Hessen sowie Berlin.

Bislang bekannt ist, dass durch Angehörige geleaste Autos unterschlagen, womöglich umgerüstet und mit neuen Kennzeichen verkauft worden sein sollen. Die Verdächtigen, so unbestätigte Angaben, sollen zusammen mit den Corona-Hilfen siebenstellige Summen erschlichen haben.

KaDeWe-Überfall, Erschleichung von Geldern und Auftragsmörder

Der Al-Zein-Clan ist bundesweit bekannt. Angehörige stehen derzeit in Düsseldorf vor Gericht, weil eine Villa in Leverkusen mit erschlichenen Geldern vom Jobcenter bezahlt worden sein soll. Dazu werden die Beschuldigten anderer Taten verdächtigt. Der Staatsanwalt hatte vor wenigen Tagen für den Clan-Chef eine Haftstrafe von sechs Jahre gefordert. Im Dezember soll das Urteil fallen.

In Berlin fallen Männer aus der Großfamilie, die einst aus dem Libanon nach Deutschland kam, ebenfalls seit Jahren auf: Fünf Mas­kier­te, darunter Al-Zeins, über­fielen 2014 die Ju­we­lier-Ab­tei­lung des Lu­xus-Kauf­hau­ses KaDeWe, ver­sprü­hten Reizgas, mit Äxten zer­schlugen sie Vi­tri­nen. Beute: Uh­ren und Schmuck im Wert von 800.000 Euro.

Im Jahr 2015 heuerte ein Mann aus dem Clan einen Auf­tragsmörder­ an, um einen Ne­ben­buh­ler töten zu lassen. Das Opfer überlebte. In den Jahren danach lieferten sich Al-Zeins in Neukölln öffentlich Schlägereien mit Angehörigen anderer Großfamilien.

Obwohl miteinander verwandt, schreiben sich einige Angehörige mitunter El-Zein, was damit zu tun hat, dass die Transkription aus dem Arabischen nicht einheitlich vollzogen wurde.

Grüne kritisieren Begriff „Clan-Kriminalität“

Mahmoud Al-Zein, in zahlreichen Berichten als „Pate von Berlin“ bezeichnet, reiste 2021 aus Deutschland in die Türkei aus. Das erste Mal war er 1988 ausgewiesen worden, konnte aber trotz Verurteilungen stets bleiben.

In NRW wiederum wird derzeit debattiert, inwiefern „Clan-Kriminalität“ als kriminologisches Konzept taugt. Es brauche eine andere Definition, „ohne Menschen pauschal zu verurteilen und unter Generalverdacht zu stellen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der NRW-Grünen, Julia Höller, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: Schlägereien und Straßenkämpfe sollen nur im Clan-Lagebild auftauchen, wenn Polizisten nachweisen, dass „organisierte Kriminalität“ dahinter stecke.

Das Bundeskriminalamt (BKA) definiert Clan-Kriminalität als die Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen: „Sie ist geprägt von verwandtschaftlichen Beziehungen, einer gemeinsamen ethnischen Herkunft und einem hohen Maß an Abschottung der Täter, wodurch die Tatbegehung gefördert oder die Aufklärung der Tat erschwert wird. Dies geht einher mit einer eigenen Werteordnung und der prinzipiellen Ablehnung der deutschen Rechtsordnung.“

Dazu kämen laut BKA oft: eine starke Ausrichtung auf eine patriarchalisch-hierarchische Familienstruktur und das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen sowie das Ausnutzen „gruppenimmanenter Mobilisierungs- und Bedrohungspotenziale“. Mitunter arbeiten die einschlägig bekannten Clans mit Komplizen anderer Milieus zusammen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ dazu: „Wenn wir ein Problem lösen wollen, müssen wir es benennen und unter anderem jährliche Lagebilder zur Clan-Kriminalität erstellen.“ 

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