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Friedrich Merz,Vorsitzender der CDU, spricht beim CSU-Parteitag.

© Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Update

Ringen ums Bürgergeld: Die Ampel lehnt Merz’ Vorstoß zu Hartz IV ab

CDU-Chef Merz will einer zügigen Erhöhung der Hartz-IV-Sätze zustimmen, der Einführung des Bürgergeldes aber nicht. Die Ampel sieht parteipolitische Spielchen.

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Es waren heftige Vorwürfe, die SPD-Chef Lars Klingbeil am Wochenende gegen CDU-Chef Friedrich Merz und die Union erhoben hatte. „Wer sich so verhält, wer den Weg von Donald Trump der Verbreitung von Fake News einschlägt, wer der Meinung ist, man müsse das Land spalten, hat nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren“, schimpfte Klingbeil auf dem SPD-Debattenkonvent. Er bezog sich auf die Debatte um die geplante Einführung eines Bürgergeldes anstelle von Hartz IV.

Im Vergleich dazu wirkte der Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz kurz darauf in den „Tagesthemen“ versöhnlich. Er wolle „Schärfe aus der Diskussion“ nehmen, erklärte er. Sein Vorschlag: die Regelsätze für Hartz IV wie von der Ampel geplant zügig anheben, aber über den Systemwechsel zum Bürgergeld noch weiterverhandeln.

Doch der Vorschlag hat es in sich. Das Bürgergeld ist eines der wichtigsten Sozialprojekte der Ampel. Entscheidend ist es für die SPD – in der Partei hadern immer noch viele damit, dass es die Sozialdemokraten es dereinst waren, die das Hartz-IV-System eingeführt hatten. Das neue Bürgergeld soll Arbeitslose nun stärker in die Lage versetzen, sich auf Weiterbildung und Arbeitssuche zu konzentrieren, und sie weniger unter Druck setzen. Wür- de die Ampel das Projekt auf Drängen der Union zurückstellen – es käme einer Niederlage gleich.

Entsprechend hart reagierten SPD und FDP am Montag. „Einfach nur die Regelsätze erhöhen, ohne Leistungsgerechtigkeit und Aufstiegschancen durch Reformen zu verbessern – das kommt für die FDP nicht infrage“, sagte FDP-Vize Johannes Vogel. Merz gehe es nicht um Arbeitsanreize, sondern nur um die eigene Wahrnehmung in der Debatte.

Heil kritisiert „parteipolitische Spielchen“

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bekräftigte den Zeitplan der Ampel: Das Bürgergeld solle zum 1. Januar eingeführt werden. „Das ist hier nicht die Zeit mehr für parteitaktische Spielchen, sondern es geht um viele Menschen, die Unterstützung brauchen, aus der Not rauszukommen, darauf konzentrieren wir uns.“

Doch das Problem bleibt: Für die Einführung des Bürgergeldes braucht die Koalition die Union. In dieser Woche soll das Projekt im Bundestag verabschiedet werden. Schon nächste Woche könnte es auch im Bundesrat beschlossen werden. Doch die Unions-geführten Bundesländer verlangen ein Entgegenkommen bei ihren wichtigsten Kritikpunkten.

Entgegenkommen der Ampel

Nachdem vor gut einer Woche CDU- Generalsekretär Mario Czaja im Tagesspiegel mit einer Blockade des Bürgergeldes im Bundesrat gedroht hatte, hatte die Ampel bereits Zugeständnisse gemacht. Der überarbeitete Regierungsentwurf sieht unter anderem Verschärfungen bei der zweijährigen Karenzzeit – einer Art Schonzeit mit milderen Regelungen – und neue Maßnahmen zur Vorbeugung von Missbrauch durch Leistungsempfänger vor. Geplant ist etwa, dass die Heizkosten während der Karenzzeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen – und nicht unbegrenzt, wie ursprünglich vorgesehen. Diesen Punkt hatte die Union in der Vergangenheit unter anderem scharf kritisiert.

Doch ihr reichen diese Änderungen nicht. Aus der CDU hieß es, sie seien nur „Kosmetik“. Der Hauptvorwurf von CDU und CSU ist, dass sich mit dem neuen System Arbeiten nicht mehr lohne. Sie kritisiert das geplante Schonvermögen, also die Regelung, dass Bürgergeld in den ersten 24 Monaten auch dann bezogen werden kann, wenn Betroffene hohe Rücklagen haben. So sollen Vermögen bis 60.000 Euro und für jede weitere Person im Haushalt bis 30.000 Euro nicht angerechnet werden.

Die Union moniert auch die geplante Änderung bei den Sanktionen. In einer neuen sechsmonatigen „Vertrauenszeit“ zu Beginn des Bürgergeld-Bezugs soll es keine Leistungsminderung geben, wenn Vermittlungs- und Fortbildungs-Angebote abgelehnt werden.

Komplexe Beispielrechnungen

Für Verwirrung sorgen indes Beispielrechnungen, wonach Bürgergeld-Empfänger in bestimmten Konstellationen über mehr Geld verfügen als Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich. So veröffentlichte die CSU eine entsprechende Berechnung, der der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) widersprach. Die CSU-Politikerin und bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf beharrte am Montag aber darauf, mit Jobcentern entsprechende Beispiele durchgerechnet zu haben, die zeigten, dass Bürgergeld-Empfänger in bestimmten Konstellationen mehr Geld zur Verfügung hätten als Geringverdiener. Experten weisen darauf hin, dass Geringverdiener auch oft Anspruch auf staatliche Leistungen wie Wohngeld haben, sodass der Vergleich komplex wird.

In einer Anhörung am Montag im Bundestag lobte der DGB-Vertreter den Plan der Ampel-Koalitionäre, den sogenannten Vermittlungsvorrang in Arbeit abzuschaffen. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden. „Wir erwarten, dass sich die Chancen auf einen Arbeitsplatz deutlich erhöhen werden“, sagte DGB-Arbeitsmarktexperte Martin Künkler.

Anne Robra, Arbeitsmarktexpertin der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kritisierte dagegen, dass das neue Bürgergeld eine Abkehr vom „Prinzip fördern und fordern“ sei. Gerade für Ältere führe die großzügige Karenzzeit dazu, dass sich der Anreiz erhöhe, sich früher aus dem Erwerbsleben zu verabschieden.

Kritik gab es in der Anhörung außerdem an der Komplexität des Ampel-Vorhabens. Die Vertreterin der Bundesagentur für Arbeit plädierte für eine spätere Einführung des Bürgergeldes. Den Mitarbeitern der Jobcenter müsse genügend Vorlauf gegeben werden.

Bei der Frage, ob und wann das Bürgergeld eingeführt wird, kommt es aber vor allem darauf an, ob sich Ampel und Union noch einigen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja rechnet damit, dass der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat am Ende entscheiden muss. „Die CDU-Ländervertreter haben klar zum Ausdruck gebracht, dass das Bürgergeld so, wie es derzeit ist, keine Zustimmung hat“, sagte Czaja.

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