zum Hauptinhalt
Carsten Linnemann.

© picture alliance/dpa

CDU-Programmchef Linnemann im Interview: „Die sagen: Kümmert euch mal um unsere realen Probleme“

CDU-Vize und Programmechef Carsten Linnemann über die Erneuerung der CDU, den Streit um die Frauenquote und den Sinn von Winnetou-Debatten.

Herr Linnemann, ein Jahr ist jetzt die krachende Wahlniederlage der CDU her. Sind Sie zufrieden damit, wo Ihre Partei heute steht?
Grundsätzlich ja. Ich gebe zu: Ich hätte damit gerechnet, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt bei über 30 Prozent in den Umfragen liegen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wir stehen als Partei, aber auch als Union so geschlossen, wie wir es im Bundestagswahlkampf nicht gewesen sind. Das ist der Erfolg von Friedrich Merz. Und wir arbeiten an einem glasklaren Programm, das uns von anderen unterscheidet.

Erst mal debattiert die CDU auf ihrem Parteitag über die parteiinterne Frauenquote. Mit dieser Selbstbeschäftigung sind nicht wenige in der Partei unzufrieden.
Es gibt einen Konsens in unserer Partei, dass wir attraktiver werden müssen für Frauen. Über das Wie gehen die Meinungen auseinander. Aber wir sollten beim Parteitag das Thema Quote schnell abhaken. Darüber stundenlang zu diskutieren, wäre das falsche Signal in Zeiten, in denen viele Menschen nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Wir machen uns lächerlich, wenn wir das Thema so hochziehen.

Ein anderes großes Streitthema ist das verpflichtende Gesellschaftsjahr. Sie sind ein glühender Verfechter. Warum?
Die Gesellschaft in Deutschland driftet auseinander. In manchen Stadtvierteln gibt es Brennpunktschulen mit Migrantenanteilen von über 90 Prozent, woanders schießen die Privatschulen aus dem Boden. Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr wäre eine Chance, Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wäre das ein Segen. Zudem würde es die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung stärken. Ich würde ein solches Gesellschaftsjahr breit aufstellen, damit junge Menschen Bock auf dieses Jahr haben: von Feuerwehr, THW, Bundeswehr über soziale Einrichtungen bis zum Einsatz im europäischen Ausland.

Carsten Linnemann (45) ist seit 2009 Mitglied des Bundestages und vertritt den Wahlkreis Paderborn. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU leitet auch die Programm- und Grundsatzkommission seiner Partei. 

© picture alliance/dpa

Aber warum muss es verpflichtend sein? Viele junge Menschen haben das Gefühl, sie hätten in der Coronakrise genug Opfer gebracht. Auch Friedrich Merz wäre eher für ein freiwilliges Jahr.
Nach der Corona-Zeit, wo man auf Sozialkontakte verzichten musste, ist das doch das komplette Gegenprogramm. Da geht es raus aus der digitalen Blase, rein in die reale Welt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich erstaunlich viele junge Menschen für ein solches Jahr aussprechen – das zeigen Umfragen. Und um auch wirklich alle Milieus zu erreichen, sollten wir es verpflichtend machen. Denn das sind die Erfahrungen aus dem bestehenden Bundesfreiwilligendienst: Dort engagieren sich vor allem diejenigen, die es sich leisten können – und die ohnehin engagiert sind.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sie leiten seit Januar die Grundsatz- und Programmkommission der CDU, die die inhaltliche Erneuerung der CDU vorantreiben soll. Aber bislang ist das Gesellschaftsjahr die einzige sichtbare neue Idee.
Der offizielle Start unserer Programmkommission war erst im Mai. Aber die Arbeit läuft, in zehn Fachkommissionen wird bereits lebhaft diskutiert – auch unter Beteiligung vieler Mitglieder. Bereits abgeschlossen ist die Arbeit an der Grundwerte-Charta, die wir auf dem Parteitag beschließen wollen. Sie legt fest, auf Basis welcher Werte wir Politik machen wollen. Dazu zählen das christliche Menschenbild, aber auch Werte wie etwa Freiheit, Subsidiarität und Solidarität. Für das kommende Jahr stehen dann eine Mitgliederbefragung und ein großer Konvent auf dem Plan. Ende 2023 wollen wir so gut wie fertig sein.

Sie waren kürzlich für mehrere Tage im Osten unterwegs und haben viele Gespräche geführt. Hat die CDU auch da Nachholbedarf?
Ganz klar! Ich war zum Beispiel in Zwickau oder in Freiberg, wo die AfD stark ist. Da wurde mir gesagt, dass die CDU dort präsenter werden muss. Und das stimmt. Ich werde das jedenfalls künftig beherzigen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Was haben Sie dort gelernt?
Bei einem Treffen mit Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr waren einige dabei, die nach der Wende ihren Job verloren und sich aber wieder hochgearbeitet haben. Die möchten, dass Leistung belohnt wird. Sie können es nur schwer ertragen, wenn zum Beispiel die Sanktionen bei Hartz IV abgeschafft werden sollen. Sehr interessant fand ich auch, wie sie auf die Debatten blicken, die wir in Berlin führen. Kürzlich wurde hier ja diskutiert, ob man noch „Indianer“ sagen und Winnetou-Filme zeigen darf. Das interessierte die Leute dort überhaupt nicht. Die sagen: Kümmert euch mal um unsere realen Probleme.

An der Debatte um Winnetou beteiligten sich aber auch einige CDU-Politiker sehr rege. Appellieren Sie an Ihre Parteifreunde, sich bei so was demnächst einfach mal zurückzuhalten?
Natürlich ist es richtig, dass wir uns als CDU klar gegen Cancel Culture aussprechen. Aber wir müssen immer im Hinterkopf haben, dass viele Menschen das nicht interessiert. Unser Fokus muss woanders liegen. Die CDU muss die Partei sein, die volle Pulle beim Bürger ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false