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This image grab from a UGC video made available on October 15, 2022, reportedly shows flames and thick smoke rising from the Evin prison, in the northwest of the Iranian capital Tehran. - Cities across Iran have seen protests si

© Foto: AFP

Schießereien und Explosionen: Vier Tote nach Brand in iranischer Haftanstalt

Im berüchtigten Ewin-Gefängnis sitzen viele Regimekritiker ein, die bei den Protesten gegen die Regierung festgenommen wurden. Aktivisten werfen den Behörden Brandstiftung vor.

Mit einem Großbrand und einer Schießerei im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Ewin in Teheran hat der Konflikt im Iran eine neue Qualität erreicht. Aktivisten warfen den Behörden vor, sie hätten am Samstagabend den Brand gelegt, bei dem mindestens vier Menschen starben.

Im Ewin-Gefängnis sitzen viele Regimekritiker ein, die bei den Protesten gegen die Regierung festgenommen worden waren. Experten verglichen den Brand mit Gewalttaten, die 1979 zum Sturz des Schahs und zur Errichtung der Islamischen Republik führten. Heute kämpfe das theokratische Regime ums Überleben.

Auf Videos in sozialen Netzwerken waren das Feuer in dem Gefängnis zu sehen und Schüsse und Explosionen zu hören. Die Staatsanwaltschaft erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA, es habe einen Aufstand von Insassen in einem Zellentrakt für „Banditen und Hooligans“ gegeben, in dessen Verlauf ein Lager mit Gefängniskleidung in Brand geraten sei. Vier Menschen seien an Rauchvergiftung gestorben, 61 wurden demnach verletzt. Keines der Opfer sei wegen politischer Delikte in Haft gewesen.

Das Feuer sei nach einigen Stunden gelöscht worden habe nichts mit den Protesten gegen die Regierung zu tun gehabt, meldete IRNA. Auch seien keine Häftlinge geflohen. Die Nachrichtenagentur Fars, die der Revolutionsgarde nahesteht, erklärte die Explosionen dagegen mit Fluchtversuchen. Die fliehenden Insassen seien in ein Minenfeld geraten.

Aktivisten bezweifeln die offiziellen Darstellungen. Die Menschenrechtlerin Atena Daemi, die selbst im Ewin-Gefängnis saß, schrieb auf Twitter, dass nach dem abendlichen Zählappell in der Haftanstalt niemand mehr in das Kleider-Lager gelangen könne. Nach Angaben anderer Aktivisten waren auf Videos zudem Geschosse zu sehen, die von außen auf das Gefängnisgelände gefeuert wurden und explodierten. Außerdem sei in dem Gefängnis noch geschossen worden, nachdem die Behörden den Gewaltausbruch für beendet erklärt hatten.

Vor der Haftanstalt riefen Demonstranten Parolen gegen Revolutionsführer Ali Khamenei, wie Aktivisten berichteten. Polizisten blockierten Zufahrtstraßen. Das Ewin-Gefängnis ist wegen der Misshandlung von Insassen berüchtigt. Unter den politischen Häftlingen dort sind die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi und andere Doppelstaatler aus den USA, Großbritannien und Frankreich. Ob sie bei dem Brand und dem Feuergefecht im Gefängnis verletzt wurden, war am Sonntag ungewiss.

Omid Rezaee, ein iranischer Journalist in Deutschland, sagte dem Tagesspiegel, es gebe Hinweise auf eine Brandstiftung durch das Regime. Vor dem Feuer sei eine Gruppe von Regimeanhängern in das Gefängnis gebracht worden, vermutlich um die Regierungsgegner zu provozieren. Das Regime wolle sich als Bollwerk gegen drohendes Chaos präsentieren: „Wenn wir die Macht verlieren, brennt das ganze Land“, laute die Botschaft.

Auch Timur Kuran, Nahost-Experte an der Duke-Universität in den USA, sieht eine Eskalation durch den Gefängnisbrand. „Die Theokratie kämpft ums Überleben“, schrieb er auf Twitter. Das Ewin- Gefängnis stehe im Iran für die Unterdrückung durch das Regime, ähnlich wie die Bastille in Paris in der Revolution von 1789. Sollte sich herausstellen, dass politische Häftlinge im Ewin-Gefängnis ums Leben gekommen seien, könne das Regime fallen.

Der Historiker Roham Alvandi von der London School of Economics verglich den Brand in dem Gefängnis mit einem Anschlag auf ein Kino im Süden Irans im Jahr 1978, der hunderte Menschen tötete und die Revolution gegen den Schah mit auslöste.

Hunderttausende Frauen und Männer protestieren seit einem Monat gegen die Regierung. Ausgelöst vom Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei, haben sie sich von Protesten gegen den Kopftuchzwang zu einem Aufstand gegen das System der Islamischen Republik entwickelt.

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