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Irans Präsident Ebrahim Raisi.

© IMAGO/ZUMA Wire

Geiseln der Mullahs: Deutscher im Iran festgenommen

Ein 66-jähriger Deutscher ist in Iran festgenommen worden. Das hat das Auswärtige Amt dem Tagesspiegel bestätigt. Teheran benutzt Ausländer, um Iraner freizupressen.

Im Iran ist ein Deutscher festgenommen worden, weil er in Sperrgebieten fotografiert haben soll. Der 66-jährige sitzt schon seit mehr als einem Monat im Iran in Haft. Sein Schicksal passt in ein Muster von Fällen inhaftierter westlicher Ausländer im Iran, die von Teheran benutzt werden, um im Ausland inhaftierte Iraner freizupressen. Vor zwei Jahren war ein Deutscher im Iran im Austausch gegen einen in Deutschland inhaftierten Iraner freigekommen – auch ihm war vorgeworfen worden, illegal Fotos gemacht zu haben.

Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte dem Tagesspiegel die Festnahme des 66-Jährigen. Deutsche Diplomaten haben demnach Zugang zu dem Mann; die iranischen Behörden äußerten sich nicht. Der US-finanzierte Sender Radio Farda meldete, der Deutsche sei unter anderem in Teheran und Täbris mit dem Motorrad unterwegs gewesen.

Er sitze im Gefängnis der Kreisstadt Aran va Bidgol ein, etwa zweieinhalb Autostunden nördlich der zentraliranischen Großstadt Isfahan. Wo er festgenommen wurde, ist nicht bekannt. Dem Rundfunksender zufolge wurde der Mann schon Mitte Juli inhaftiert und hat die Hälfte der Zeit in einer Einzelzelle verbracht.

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Die Festnahme wurde laut Radio Farda bekannt, nachdem die Familie des Deutschen ihn nicht mehr erreichen konnte und die deutschen Behörden einschaltete. Die deutsche Botschaft in Teheran habe dann von der Inhaftierung erfahren. Radio Farda mit Sitz in Prag ist die iranische Abteilung des staatlichen US-Senders Radio Free Europe/Radio Liberty und verfügt über eigene Quellen im Iran.

Kritiker der Islamischen Republik sehen ein System hinter den Festnahmen westlicher Ausländer. Sie werfen Teheran vor, unschuldige Menschen als Geiseln zu benutzen. Im Februar 2020 kam ein Bundesbürger im Iran frei, nachdem die deutschen Behörden einen Iraner, der wegen Sanktionsverstößen an die USA ausgeliefert werden sollte, in den Iran zurückgeschickt hatten. Wie im aktuellen Fall des 66-Jährigen war der Deutsche damals in Haft, weil er angeblich in Sperrzonen fotografiert hatte.

Festnahmen könnten Atomabkommen stören

Vor wenigen Wochen wurde ein schwedischer Staatsbürger im Iran festgenommen. Die Festnahme kam, kurz nachdem ein schwedisches Gericht einen ehemaligen iranischen Justizbeamten wegen der Beteiligung an Massenhinrichtungen zu lebenslanger Haft verurteilt hatte. „Die Liste der Geiseln wird jeden Tag länger“, kommentierte Gazelle Sharmadh, deren deutsch-iranischer Vater Jamshid seit zwei Jahren im Iran im Gefängnis sitzt.

In einigen Fällen geben die iranischen Behörden öffentlich bekannt, dass sie inhaftierte Ausländer gegen Iraner austauschen. Im Jahr 2020 kam die britisch-australische Akademikerin Kylie Moore-Gilbert nach zweijähriger Haft im Iran frei. Damals meldeten staatliche iranische Medien, Moore-Gilbert sei freigelassen worden, weil gleichzeitig drei iranische „Aktivisten“ heimkehren konnten: Zwei von ihnen saßen in Thailand wegen eines versuchten Mordanschlages auf israelische Diplomaten in Haft.

Vorsicht. Westliche Besucher können in Iran jederzeit festgenommen werden. Das Bild zeigt eine Straßenszene in Teheran.

© imago/photothek

Manchmal geht es ums Geld. Die britisch-iranischen Doppelstaatlerinnen Nazanin Zaghari-Ratcliffe and Anoosheh Ashoori kamen im März dieses Jahres nach jahrelanger Haft im Iran nach Hause – kurz zuvor hatte die britische Regierung iranisches Guthaben von mehr als 400 Millionen Euro an Teheran überwiesen, das seit der iranischen Revolution von 1979 von London festgehalten worden war.

Mehr als 60 Ausländer und Doppelstaatler befinden sich nach Recherchen des britischen Unterhauses in iranischer Haft. Die Bibliothek des Unterhauses, die ähnlich wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags regelmäßig Studien zu politischen Themen anfertigt, zählte in einer Untersuchung kürzlich auf, dass der Iran schon Gefangene mit Australien, Deutschland, Frankreich und den USA ausgetauscht habe.

Noch mindestens zwei weitere Deutsche betroffen

Unter den ausländischen Häftlingen im Iran sind neben dem 66-Jährigen mindestens zwei weitere Deutsche. Einem von ihnen, Jamshid Sharmadh, einem deutsch-iranischer Doppelstaatler, droht nach Angaben seiner Tochter Gazelle die Todesstrafe. Die Kölnerin Nahid Taghavi, die ebenfalls einen deutschen und einen iranischen Pass hat, sitzt seit zwei Jahren im Gefängnis. Deutsche Diplomaten können sich nicht um Sharmadh und Taghavi kümmern, weil der Iran doppelte Staatsbürgerschaften nicht anerkennt. Die Festnahmen könnten die Verhandlungen über ein neues Atomabkommen zwischen dem Iran und dem Westen stören, weil die iranische Geisel-Politik die beteiligten Regierungen in Deutschland und anderen Ländern innenpolitisch unter Druck setzt. Die Führung in Teheran ist offenbar überzeugt, dass der Nutzen der ausländischen Häftlinge höher ist als die außenpolitischen Kosten dieses Vorgehens.

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