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Friedrich Merz ist bedient. Die Union wird nicht als eine konstruktive Alternative zur Ampel-Koalition wahrgenommen.

© picture alliance / SZ Photo/Jens Schicke

Die 30-Prozent-Grenze: Warum die Union von der Ampel-Schwäche kaum profitiert

Momentan steigt vor allem eine Partei in den Umfragen: die AfD. Bei CDU und CSU fragen sie sich, warum nicht auch die Union von der Ampel-Schwäche profitiert. Eine Analyse.

| Update:

Auf den ersten Blick sind es Zahlen, mit denen die CDU zufrieden sein kann: Seit Monaten liegt die Partei stabil bei um die 30 Prozent – und damit weit vor allen anderen Parteien. Auf den zweiten Blick allerdings versteckt sich dahinter ein Problem der Union. Denn „stabil“ heißt auch: Sie kommt über die 30-Prozent-Marke kaum hinaus. Und das trotz steigender Unzufriedenheit mit der Ampel.

Am Wochenende äußerte der Generalsekretär der CDU in Schleswig-Holstein, Lukas Kilian, im Tagesspiegel relativ deutliche Selbstkritik: „Die CDU schafft es offensichtlich nicht, dass die Bürger in ihr eine konstruktive Alternative zur Ampel-Koalition sehen“, sagte er. Stattdessen profitiert eine andere Partei von der Unzufriedenheit im Land: die AfD.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz selbst warf am Wochenende in seinem Newsletter die Frage auf, warum die Union in der Opposition nicht profitiere von dem „diffusen Unwohlsein“ im Land. Seine Erklärung: Sie werde mitverantwortlich gemacht für den Zustand des Landes. „Das Mantra der Ampel, sie müsse nun endlich mal aufräumen, was da 16 Jahre lang liegen geblieben ist, verfängt eben bei vielen Wählerinnen und Wählern“, schrieb Merz.

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Die Probleme liegen auch bei der Union selbst

Dieses Argument verortet den Grund für das CDU-Problem bei der Ampel. Doch die Gründe dürften – zumindest zum Teil – auch bei der Partei selbst liegen.

Merz als Person

Friedrich Merz hat Fans – keine Frage. Seine relativ klare Sprache, sein konservatives Image – beim harten Kern der CDU-Wähler kommt das gut an. Die Frage ist allerdings: Kann er auch darüber hinaus mobilisieren? Nur 20 Prozent würden bei einer Kanzler-Direktwahl für Merz stimmen, ergab eine Insa-Umfrage für die „Bild am Sonntag“. Damit liegt er sichtbar hinter dem Kanzler, der bei 25 Prozent liegt. Und auch hinter den Umfragewerten seiner eigenen Partei. Im ehemaligen Merkel-Flügel der Partei glauben sie, Merz komme nicht sympathisch genug rüber.

20
Prozent würden laut einer Insa-Umfrage bei einer Kanzler-Direktwahl für Merz stimmen.

Schrille Töne

Die Union hat früh erkannt, dass im geplanten Heizungsgesetz großer gesellschaftlicher Sprengstoff liegt. Sie arbeitete an einer Kampagne mit dem Hashtag #fairheizen, mit dem sie Front machen wollte gegen das Gesetz. Doch geeignet dazu, in Erinnerung zu bleiben, sind vor allem schrillen Töne aus der Union – etwa der Vorwurf, die Ampel richte eine „Energie-Stasi“ oder wolle „Heizungsspionage“ betreiben.

Welche Alternativen die CDU zum Heizungsgesetz anbieten würde, könnten wohl die wenigsten Wähler beantworten. Die Partei spricht sich dafür aus, den Markt regeln zu lassen. Dabei würden auch die daraus resultierenden, steigenden CO₂-Preise für die Verbraucher Härten bedeuten.

Programm

Dass die CDU die letzte Wahl auch verloren hat, weil nicht klar war, wofür sie steht – das ist innerhalb und außerhalb der Partei Konsens. Nun arbeitet sie an einem neuen Grundsatzprogramm. Während es noch immer einflussreiche Christdemokraten gibt, die zu viel inhaltliche Festlegung gar nicht für nötig halten, will Programmchef Carsten Linnemann möglichst konkrete Forderungen erarbeiten, die im Kopf bleiben.

Er kündigte auch an, einen „ehrlichen“ Wahlkampf führen zu wollen. Was ehrenhaft klingt, führt mitunter aber auch dazu, dass CDU-Politiker mit eher unpopulären Forderungen Schlagzeilen machen. So forderte CDU-Fraktionsvize Jens Spahn kürzlich die sofortige Abschaffung der Rente mit 63. Andere Ideen – etwa der Arbeitszwang für Sozialhilfeempfänger – sickern eher aus den Arbeitsgruppen der Programmkommission heraus, als dass sie offensiv kommuniziert werden.

Migration

Nachdem Friedrich Merz in Bezug auf Söhne von Migranten von „kleinen Paschas“ gesprochen hatte, war die Aufregung innerhalb der Partei groß. Auch in der Fraktion wurde das Thema kontrovers diskutiert. Bei einer Abstimmung über das sogenannte Chancenaufenthaltsgesetz der Ampel gab es 20 Abweichler innerhalb der Union. Es folgten mehrere Gespräche zum Thema Migration. Am Ende wurde ein Papier verabschiedet, der Streit war begraben. Man einigte sich auf das Schlagwort: „Humanität und Ordnung“.

Mit einem Kommunalgipfel mit Bürgermeistern aus ganz Deutschland zu den Problemen mit dem Flüchtlingszuzug konnte die Union anschließend sogar punkten. Doch weiterhin ist unklar, wohin die Union bei dem Thema will. Während NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei dem Thema eher auf liberale Töne setzt, brachten Spahn und Sachsens-Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Änderung des Asylrechts ins Spiel. Womöglich ist auch das ein Grund dafür, dass die Union von den Migrationsproblemen bislang nicht profitiert.

Kulturkampf

Die Union wähnt sich in einem Kulturkampf – gegen das Gendern und politisch korrekte Sprache. CSU-Chef Markus Söder wettert gegen den „Woke-Wahn“. Hendrik Wüst oder Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther steigen bewusst nicht mit ein.

Der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky erklärte kürzlich im Tagesspiegel-Interview, die Kulturkampfrhetorik scheine „der Versuch zu sein, die Union für eher rechte Wähler attraktiv zu machen.“ Er sei skeptisch, ob das funktionieren könne. „Man produziert ein Bedrohungsszenario und bläst ins gleiche Horn wie die AfD. Das kann nach hinten losgehen“, sagte Lewandowsky.

Ob die Kulturkampfrhetorik der Union nun nutzt oder schadet, lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Friedrich Merz hat jedenfalls beschlossen, das Thema nicht der AfD zu überlassen. „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD“, schrieb Merz in seinem Newsletter.

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