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Welche Interessen verfolgten die Stadtwerke Bochum? Das Image-Desaster, das mit den Vortragshonoraren an Steinbrück und Co. angerichtet wurde, kann jedenfalls nicht im Sinne der Stadt sein.

© dpa

Teure Redner: Die Stadtwerke Bochum leisten sich was

Steinbrück, Gauck, Maffay und viele andere: Sie kamen für stolze Honorare zu den Stadtwerken Bochum. Statt Reputationsgewinn gibt es jetzt ein Image-Desaster – für alle Beteiligten. Und das auf Kosten der Stadtkasse.

Am Donnerstag geht es heiß her bei den Stadtwerken Bochum. Der Aufsichtsrat kommt zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen – einziges Thema: die „Atrium-Talk“-Veranstaltungsreihe des Hauses. Landesweit macht der Energieversorger damit Schlagzeilen, dass er dem designierten Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, und den Bürgerrechtler und späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck je 25.000 Euro für Auftritte bezahlte.

Nach Informationen von Handelsblatt Online war das städtische Unternehmen nicht nur bei den Honoraren großzügig. Jede der bislang acht Veranstaltungen der Reihe wurde von der Produktionsfirma Frame2 mit drei Kameras gefilmt, bearbeitet und dann gebrannt – allerdings nur „eine Handvoll DVDs für das Unternehmensarchiv“, so ein Beteiligter zu Handelsblatt Online.

Nach Angaben des Kommunikationsverbandes Famab kostet eine solche Produktion über den Daumen gepeilt bis zu 10.000 Euro. Zum exakten Honorar wollten weder die Produktionsfirma noch die Stadtwerke Bochum etwas sagen. Die Informationen über die DVD-Produktion stoßen Lokalpolitikern im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung übel auf. „Wenn es der Fall ist, dass Werbefilme produziert wurden, die sich nur die Stadtwerke-Geschäftsführer zu Hause auf dem Fernseher anschauen können, dann ist das absolut unverhältnismäßig“, so Christian Haardt, CDU-Landtagsabgeordneter und Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke Bochum zu Handelsblatt Online.

Die Stadtwerke lehnen – zumindest bis zur Aufsichtsratssitzung am Donnerstag – weiterhin jeden Kommentar zu der Veranstaltungsreihe ab.

Veröffentlicht wurde von dem Filmmaterial bislang nur ein fünfminütiger Ausschnitt aus dem jüngsten Auftritt von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Darin gibt der Belanglosigkeiten von sich, etwa dass er als Kind das Ziel gehabt habe, einmal einen Beruf zu haben, der ihm unbegrenzten Eis-Konsum ermögliche. Dies habe er geschafft. Immerhin versprechen die Stadtwerke auf ihrer Facebook-Seite aber, dass dieser Auftritt ab Mitte November kostenlos zur Verfügung stehen solle.

Premiere feierte der Atrium-Talk vor mehr als vier Jahren mit Richard von Weizsäcker. Das Büro des Alt-Bundespräsidenten Weizsäcker bestätigt auf Anfrage von Handelsblatt Online, dass ein Honorar geflossen ist, und dieses – ohne eine entsprechende Verabredung – von ihm gespendet wurde: „Herr von Weizsäcker hat für die Veranstaltung am 29. Februar 2008 ein vorab vereinbartes Honorar erhalten. Eine Verabredung über die Verwendung erfolgte nicht. Der Betrag wurde, wie üblich, wohltätigen Zwecken zugeleitet, zu allermeist der Marianne von Weizsäcker Stiftung Integrationshilfe für ehemals Suchtkranke e.V. in Hamm.“ Ganz ähnlich war dies auch im Fall Uli Hoeneß gelaufen, wie der „Spiegel“ berichtet hatte.

Bochum steckt in einem Nothaushaltsjahr.

Etwa 100.000 Euro sollen die Veranstaltungen jeweils insgesamt gekostet haben, wird in Bochum gemunkelt – in einer Stadt, die derzeit in einem Nothaushaltsjahr steckt und sich Ausgaben von der Bezirksregierung abnicken lassen muss.

Schaut man auf die Stadtwerke alleine, sind die Zahlen aber solide. Das kommunale Unternehmen hat in den vergangenen Jahren durchgängig Gewinne gemacht und die auch an die Stadt ausgeschüttet. Im Geschäftsjahr 2011 machte das Unternehmen bei einem Umsatz von 488 Millionen Euro einen Gewinn von 29,8 Millionen Euro. Das entspricht einer Umsatzrendite von rund sechs Prozent, das heißt mit 100 Euro Umsatz erwirtschafteten die Stadtwerke Bochum sechs Euro Gewinn.

Üppig ist das zwar nicht im Vergleich zu vielen anderen Branchen. Doch im Vergleich zu Mitbewerbern steht das Unternehmen nicht schlecht da: Die Düsseldorfer Stadtwerke haben zum Beispiel nur eine Umsatzrendite von rund vier Prozent, die Stadtwerke Münster erreichen nicht einmal drei Prozent.

Fragt man bei anderen deutschen Stadtwerken nach, erntet man indes Unverständnis für die Redner-Bezahlung bei den Bochumer Stadtwerken. So haben die Kasseler Stadtwerke beispielsweise in den vergangenen acht Jahren gerade mal einen Prominenten als Redner geladen, der aber vielen noch nicht einmal bekannt sein dürfte – Franz Alt, ein ehemaliger Fernsehmoderator und Solarenergieanhänger. Und die Bezahlung habe natürlich auch in einer völlig anderen Größenordnung gelegen, als im Fall Steinbrücks.

Auch in München seien Rednerhonorare in dieser Größenordnung noch nicht vorgekommen, sagt eine Sprecherin. Hamburg Energie, der kommunale Stromversorger der Hansestadt bezahle überhaupt keine prominenten Redner, heißt es bei dem Unternehmen. Die Stadtwerke Kiel teilen mit, keine Prominenten für Auftritte zu bezahlen. Hinter vorgehaltener Hand sagen viele, dass sich die Unternehmen solche Zahlungen auch gar nicht leisten könnten.

Zumindest die Kunden der Stadtwerke Bochum müssen nicht zwangsläufig auf die Barrikaden gehen. Denn die blanken Zahlen bestätigen nicht, dass der Versorger besonders raffgierig ist. Erst Ende vergangenen Jahres hatten die Stadtwerke Bochum zwar die Strompreise um 2,14 Cent je Kilowattstunde erhöht – auch im Basistarif. Bochumer Haushalte, so hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens, mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden, sollten für die Mehrbelastungen rund 6,25 Euro im Monat einplanen. Das entspreche einer Steigerung von rund neun Prozent. Als Begründung für die Preiserhöhung nannten die Stadtwerke damals die Erhöhung der EEG-Umlage sowie „gestiegene Beschaffungspreise auf den Handelsmärkten“. Auch die Gaspreise wurden im vergangenen Jahr zwei Mal erhöht.

Im Vergleich zu anderen Anbietern stehen die Bochumer jedoch gut da. Es ist schwer, die Strompreise der einzelnen Anbieter pauschal zu beurteilen, zu viele verschiedenen Tarif und Vertragsbedingungen gibt es. Eine Erhebung der Verbraucherzentrale zeigt aber, dass in Nordrhein-Westfalen die Strompreise der Stadtwerke Bochum für Ein- bis Zwei-Personenhaushalte zum Mittelfeld gehören. In Gelsenkirchen etwa muss man wesentlich mehr für seinen Strom bezahlen. Auch im Vergleich zu privaten Konkurrenten sind die Stadtwerke Bochum gut aufgestellt. Ein Drei-Personen-Haushalt kann in dem gut belebten Bochumer Strommarkt zwar rund 170 Euro sparen, wenn er zum günstigeren privaten Anbieter wechselt, jedoch ist diese Differenz in anderen Städten laut Verbraucherzentrale weitaus höher. In Bottrop etwa beträgt die Differenz der Stadtwerke zum günstigsten alternativen Anbieter 203 Euro.

Quelle: Handelsblatt.de

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