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Das Kohlekraftwerk Neurath in Deutschland.

© IMAGO/Panama Pictures / Foto: Imago/Christoph Hardt

„Ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz“: Die Beschlüsse des COP27 und der Verrat am 1,5-Grad-Ziel

Die Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich lief chaotisch ab. Der globale Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gelang nicht. Aber es gibt auch Erfolge.

Frustration über die schlechte Organisation der COP27 hatte es vom ersten Tag an gegeben. Aber am Samstagmorgen – ein Tag, nachdem die Weltklimakonferenz hätte enden müssen – war die Stimmung am absoluten Tiefpunkt.

Während die Stände bereits abgebaut wurden, die Gänge leer waren und sich das Logo des Weltklimarates im Eingangsbereich von der Wand schälte, wurde hinter verschlossenen Türen fieberhaft weiterverhandelt. Alle warteten auf eine Einigung, auf neue Beschlussdokumente. Für die Beobachter und Journalisten vor Ort hieß das – warten. Ohne zu wissen, wann die COP enden würde.

Am Mittag dann Erleichterung: Die ägyptische Präsidentschaft legte endlich erste Abschlussentwürfe vor. Zuvor war der Frust über die Präsidentschaft überall zu vernehmen gewesen.

Die „Gas-COP“ wurde abgewendet

„Ich weiß nicht, ob das Strategie oder einfach Unvermögen ist. Aber hier kommt nichts voran, die Präsidentschaft sollte längst Kompromisse präsentieren“, klagte ein ausländischer Gesandter. „Stattdessen werden Treffen angesetzt, zu den niemand eine Einladung erhält. Es wird von Dokumenten gesprochen, die wir nicht zugeschickt bekommen. Das ist eine komplette Katastrophe.“

Mit dem Eintrudeln der ersten Texte begann das Feilschen auf den letzten Metern, das bis fünf Uhr morgens dauern sollte. Problematisch waren bis zuletzt vor allem die Fragen, ob ein Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel geschaffen wird, ob ein globaler Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen beschlossen würde und ob das 1,5-Grad-Ziel im Text beibehalten wird.

Ein großer Schritt nach vorne ist das Abschlussdokument der COP27 laut Beobachtern dennoch nicht. Stattdessen liest sich der Abschlusstext der COP, „als hätte man die Erklärung von letztem Jahr per copy-paste übernommen“, summierte eine langjährige COP-Expertin.

Positiv deuten Umweltorganisationen, dass die Rolle von erneuerbaren Energien deutlich gestärkt wurde. „Im Vornherein bestand die Sorge, dass dies eine Gas-COP wird“, sagte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch mit Blick auf den weltweiten Gashunger. Immerhin das sei aber abgewendet worden. Ein „wirklicher Gewinn“ sei auch die Betonung, dass die geplante Reform der internationalen Entwicklungsbanken in Richtung Nachhaltigkeit deutlich vorangetrieben werden muss.

Kein globaler Ausstieg aus fossilen Brennstoffen

Nicht ins Enddokument geschafft hat es dafür eine Forderung Indiens, der sich in der Nacht spontan und überraschend noch die USA anschlossen: Das Bekenntnis global aus allen fossilen Energieträgern auszusteigen. Stattdessen findet sich nur das Bekenntnis zur globalen Reduzierung der Kohleverstromung, wie sie schon im vergangenen Jahr beschlossen worden war. Zwar hätte die EU den Ausstieg gerne mitgetragen, doch es gab genügend Opponenten, allen voran die Ölländer am Golf und Russland.

„Zutiefst traurig“ sei das, befand Mohamed Adow, Chef der Organisation Powershift Africa. Lisa Badum, Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz, sieht das ähnlich: „Die einzige Reaktion darauf kann nur sein: Jetzt erst recht. Handeln ohne die Bremser. Die Industriestaaten sollten sich aus fossilen Finanzierungen zurückziehen.“ Vom Tisch ist das Thema fossiler Ausstieg ohnehin nicht, denn nächstes Jahr wird vermutlich wieder darum gerungen werden.

Ein Fonds für Schäden und Verluste

Eine „historische Eingung“, so drückte es Klimaaktivistin Luisa Neubauer aus, war dafür das Bekenntnis der Weltgemeinschaft, einen Fonds für vom Klimawandel verursachte Schäden und Verluste einrichten zu wollen. Große Freude auch beim Kopf der afrikanischen Verhandler, Alpha Kaloga: „Der Tag ist gekommen. Es ist vollbracht“, twitterte er. „Dies ist ein einzigartiger Moment, ein Gewinn für alle Bürger der Welt.“

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Es war tatsächlich ein weiter Weg gewesen, denn der Fonds war während der COP27 vehement von den Entwicklungsländern und China gefordert, von anderen Staaten aber konsequent abgelehnt worden. Schließlich kam der Fonds in den Beschlusstext, wenn auch aufgeweicht von den USA und Großbritannien. Denn erst im kommenden Jahr soll der Fonds eingerichtet werden, begleitet von „neuen Finanzarrangements“, ein etwas schwammiger Begriff.

Wer zahlt für die Schäden?

Eine konkrete Summe steht noch nicht fest, die soll in den nächsten zwei Jahren verhandelt werden. Anspruch auf die Hilfsmittel im Krisenfall sollen allein die besonders verletzlichen Staaten haben – ein umstrittenes Politikum, da zuvor die Rede davon gewesen war, den Fonds für alle Entwicklungsländer zu öffnen. Doch vor allem die EU hatte protestiert:“ Es sollten nur die Staaten davon profitieren, die ihn am dringendsten brauchen, nicht die, die nur auf dem Papier Entwicklungsländer sind“, so Außenministerin Annalena Baerbock.

Laut der jetzigen Regel sollen aber auch Länder, die nicht zu den ärmsten gehören, wirtschaftlich aber überproportional von einer Naturkatastrophe betroffen sind – beispielweise Pakistan nach den Überschwemmungen in diesem Sommer – Ansprüche erheben können. „Besser ein schlechter Deal als gar kein Deal“, befand nach einer weiteren Verhandlungsnacht EU-Vizepräsident Frans Timmermans.

Hoch umstritten war auf den letzten Metern die Frage gewesen, wer denn eigentlich in den Fonds einzahlt. China, inzwischen weltweit der größte Emittent und streng genommen kein Entwicklungsland mehr, solle ebenfalls zur Kasse gebeten werden, das war die rote Linie der EU. Ganz so klar steht es im Abschlussdokument dann doch nicht. Aber das diplomatisch geschulte Auge liest zwischen den Zeilen, dass auch andere Länder, beispielsweise China, in die Verantwortung gezogen werden sollen.

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„Das ist entscheidend, denn wenn China und die Ölländer sich nicht am Fonds beteiligen, bekommen wir nie die notwenigen Summen zusammen“, sagte Bals. Fortsetzung folgt – um die Frage, wer zahlen wird und welche Indikatoren erfüllt werden müssen, um Geld für Schäden und Verluste zu erhalten, wird wohl auch in den folgenden Jahren gerungen werden.  

Kein stärkeres Bekenntnis zu Emissionsminderung

Ein kleiner Erfolg ist dafür, dass das Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung, einem der Hauptstränge der Klimaverhandlungen, bis 2026 laufen soll. Die Ölstaaten und China hätten dies am liebsten schon im kommenden Jahr eingestellt. Auch die Forderung nach Zielen für einzelne Sektoren wie Industrie oder Verkehr fand Eingang, auch wenn diese „nicht normativ oder sanktionierend“ sein sollen – eine eher schwache Aussage.

Mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel könnte es also eng werden, denn schon jetzt erfüllen die Staaten ihre Klimaziele nicht. “Wir sind dem 1,5 Grad-Ziel kein Stück näher gekommen“, meinte sogar der grüne EU-Abgeordnete Michael Bloss. Das sei „ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz“.

Von anderen Experten wird vor allem der neue Fonds für Schäden und Verluste als großer Erfolg der COP27 verbucht. Dass es die Staaten aber zugleich nicht geschafft haben, sich zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durchzuringen, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

So stehe die COP27 „für ein weiteres verlorenes Jahr beim klaren Adressieren der Ursache der Klimakrise“, summierte Viviane Raddatz, Leiterin für Klimaschutz beim WWF. Würden weiterhin massenhaft Öl, Gas und Kohle verbrannt, drohe der neue Fonds „zu einem „Fonds für das Ende der Welt‘“ zu werden.

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