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Politik: Eingeholt von den Ruinen

Von Matthias Meisner

Das war Stoff für Träume: Wachsende Proteste gegen Arbeitsmarktreformen, halb Ostdeutschland auf der Straße, die Menschen aus den Krisenregionen im Westen mit dabei. Mittendrin, womöglich gar ganz vorne mit ihren roten Fahnen, die PDS. Konnte Hartz IV ein Programm dafür werden, 2006 die Sozialisten wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag zu bringen? Anhaltspunkte dafür hatte es gegeben. Schon die Wahlen im Juni in Thüringen und zum Europaparlament hatten der Partei, die nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 in die tiefste Krise ihrer Geschichte geraten war, wieder Mut gemacht. Schließlich Brandenburg, der Höhepunkt der Proteste passte wie angegossen dazu. Aber dann sind manche wohl doch zu übermütig geworden. Jetzt hat der Alltag die PDS eingeholt.

Inzwischen steht fest: Hartz IV hat der PDS nicht mehr als eine Atempause verschafft und letztlich den Konflikt zwischen rotrotem Mitregieren und Widerstand nur überdeutlich gemacht. Die Montagsdemonstrationen haben sich totgelaufen, und die PDS steht wieder da, wo sie vor Hartz IV stand. Zusammengerauft hat sie sich, das wohl, seit Lothar Bisky vor gut einem Jahr das Ruder übernommen hat. Doch wo es langgehen soll, bleibt offen – typisch PDS. Den Plan, wie man zur Partei der kleinen Leute wird und damit die etablierten Bundestagsparteien in Ost und West herausfordert, hat die PDS auch unter Bisky nicht geschmiedet. Ihr Bundesparteitag am Wochenende hat sie keinen Schritt weitergebracht. Viel Papier haben die Genossen beschrieben, stundenlang um Halbsätze gefeilscht – doch was soll davon beim Bürger ankommen? Das unbezahlbare Rentenkonzept, die Forderung nach 1400 Euro Mindesteinkommen?

Keiner der Delegierten wollte das hören, aber: Die PDS bräuchte einen Vorsitzenden, der mehr von ihr fordert. Der sagt, dass Geld, das verteilt werden soll, auch erwirtschaftet werden muss. Die PDS mag es lieber paradox: Sie bejubelt Gregor Gysi, der weiß, wo es hapert. Und schart sich hinter Bisky, der den Genossen viel durchgehen lässt und nett die Flügelkämpfe moderiert. Das „strategische Dreieck“, das der mit Traumergebnis im Amt bestätigte Vorsitzende in Potsdam im Leitantrag durchsetzte, soll Protest, Anspruch auf Mitgestaltung und Alternativen über den Kapitalismus hinaus vereinen. Übersetzt: Jeder in der PDS soll tun und lassen, was er will.

2006 geht es nicht um einen Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz- Gelb, redet Bisky den Delegierten ein. Aber genau darum wird es gehen. Und die PDS steht bei keinem auf der Rechnung, nicht mal bei der neuen Linkspartei, die sich demnächst im Westen gründen will. Und dann Gysi selbst: Die Frage, ob er 2006 als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl antreten will oder die Partei im Stich lässt, macht der Mann ohne Amt selbst zum Running Gag.

Nur als Partei der Einheit habe die PDS eine Chance, hat Gysi am Sonntag in Potsdam gesagt. Sollte das stimmen, dann hat sie keine. Denn selbst wenn die Genossen immer häufiger nicht nur über die Armen in der Uckermark, sondern auch über die in Gelsenkirchen reden – in den Westen springt der rote Funke nicht über. Die PDS lebt im Osten. Den Schritt in den Westen hat sie nicht geschafft.

Ein Plan für 2006? Er heißt: Stagnation. Der PDS fällt nur die Wiederbesinnung auf die Regionalpartei Ost ein. Sie steuert dorthin zurück, wo sie 1990, auferstanden aus den Ruinen der SED, losgelegt hatte.

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