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Mit großem Bruder: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden im Juni 2022 auf Schloss Elmau.

© dpa / Michael Kappeler

Erneute Kandidatur von Joe Biden: Sich in Deutschland jetzt zurückzulehnen, wäre ein schwerer politischer Fehler

Joe Biden will 2024 noch einmal kandidieren. Doch egal, wer am Ende Präsident wird: Die USA werden einen Kurs des Protektionismus fahren. Das zu ignorieren, kann Deutschland sich nicht leisten.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

„Ich danke dem lieben Gott täglich, dass Joe Biden im Weißen Haus sitzt und nicht sein Vorgänger.“ So brachte SPD-Chef Lars Klingbeil wenige Stunden nach Bidens Ankündigung einer zweiten Kandidatur die Stimmung im Berliner Regierungsviertel auf den Punkt.

Gewiss, Deutschland kann sich kaum einen besseren US-Präsidenten ausmalen als Joe Biden. Biden kennt Deutschland so gut wie kaum ein Vorgänger. Schon als junger Senator saß er in Helmut Schmidts Kanzlerbüro. Der erfahrene Außenpolitiker Biden weiß selbst um die Verästelungen in den Konflikten um das ehemalige Jugoslawien. Zugespitzt: Biden kennt Europa besser als Olaf Scholz.

Eine erneute Wahl Bidens zum Präsidenten wäre ein Glücksfall für Deutschland, EU, Nato und die Ukraine sowieso. Doch Deutsche und Europäer sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Mit seinem riesigen Klimapaket hat der ach so freundliche Herr Biden die Europäer bereits kräftig vor den Kopf gestoßen.

Wer auch immer im Januar 2025 als Präsident vereidigt werden wird, ob Biden, Donald Trump oder Ron DeSantis: Er dürfte in den kommenden vier Jahren noch mehr Protektionismus betreiben als Biden von 2021 bis 2025.

Olaf Scholz’ schwerer Fehler

Kanzler Olaf Scholz hat bis zum Krieg Russlands gegen die Ukraine das Zwei-Prozent-Ziel der Nato mit überlegener Miene weggelächelt. Das war, wie nicht nur die Bundeswehr täglich spürt, ein schwerer politischer Fehler. Der künftige US-Präsident wird Deutsche und Europäer an ihre weltpolitische Verantwortung erinnern. Biden lächelnd, aber am Ende vielleicht sogar bestimmter als ein republikanischer Präsident.

Nun besteht die Gefahr, dass sich Deutschland angesichts einer möglichen Amtszeit Biden II zurücklehnt, nach dem Motto: Für ein paar Jahre wird’s der große Bruder schon noch einmal richten. Weit gefehlt! Der Druck der amerikanischen Wähler, die nicht einsehen, dass sie länger arbeiten und weniger lange leben als die Europäer, jedoch mit ihren Steuern Europa schützen sollen, ist groß - und nachvollziehbar. Dieser Druck ist in beiden Parteien spürbar, sehr wohl auch bei den Demokraten.

Deutschland muss auch deshalb mehr für seine Sicherheit und die seiner Nachbarn und Partner tun als heute und morgen. Biden als eine Art Verschnaufpause? Als Gelegenheit, in Europa die Zügel weiter schleifen zu lassen? All das wäre Berlins nächster schwerer politischer Fehler.

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