zum Hauptinhalt
Fachkräfte werden dringend gesucht.

© Imago/Photothek/Thomas Trutschel

Fachkräfte aus dem Ausland: Ist der Ampel-Plan zur Einwanderung wirklich der angekündigte große Wurf?

Deutschland hat Millionen unbesetzte Jobs. Ein neues Gesetz soll mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland anziehen. Doch Experten glauben: Das reicht nicht aus.

Die Lage ist schon jetzt prekär: Knapp zwei Millionen Arbeitsstellen sind in Deutschland unbesetzt. Es fehlen nicht nur Ärztinnen und Ingenieure, sondern auch Pflegerinnen, Erzieher und Sachbearbeiter in der Verwaltung. Der Aufschwung nach der Rezession – ohne neue Arbeitskräfte kann er nicht gelingen, da sind sich Experten einig.

Die Ampel will nun mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz den großen Wurf schaffen. Arbeitskräfte und Fachkräfte sollen schneller und unbürokratischer nach Deutschland einwandern können.

Am Mittwoch hat das Kabinett die Eckpunkte für das Gesetz beschlossen. Die Reform sei „längst überfällig“, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Nun ist die Frage, ob das Gesetz in Deutschland attraktiv genug sein wird, um künftige Arbeitskräfte zu überzeugen.

Um mehr Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen, sollen...

  1. ... bürokratische Hürden ab- und das Marketing im Ausland ausgebaut werden.
  2. Anerkannte Fachkräfte sollen außerdem mit einem gültigen Arbeitsvertrag einfacher als bisher nach Deutschland kommen können. So will die Ampel etwa die bestehenden Gehaltsschwellen absenken.
  3. Zudem sollen Menschen auch ohne vorherige formale Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland arbeiten können, wenn sie einen in ihrem Land anerkannten Abschluss und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung haben.
  4. Neu ist auch ein Angebot, das sich an Menschen richtet, die noch keinen deutschen Arbeitsvertrag haben: die „Chancen-Karte“. Sie soll auf einem Punktesystem basieren, wie beim Vorbild Kanada. Zu den Auswahlkriterien können Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören.

Das Eckpunktepapier ist gut, aber nicht genug.

Wido Geis-Thöne

Wido Geis-Thöne, Migrations- und Arbeitsmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft, hält die Reform für überfällig.

Jährlich würde Deutschland wegen des demographischen Wandels 400.000 Fachkräfte verlieren – bis Anfang 2030 rechnet er mit rund fünf Millionen offenen Stellen. Andere Experten rechnen mit sieben Millionen offenen Stellen bis 2035. Die Pläne der Ampel würden dafür nicht ausreichen, sagt Geis-Thöne dem Tagesspiegel: „Das Eckpunktepapier ist gut, aber nicht genug“.

Sieben
Millionen offene Arbeitsstellen bis 2035.

Er kritisiert, das geplante Punktesystem zur Fachkräfteeinwanderung sei zu bürokratisch. „Mehr Zentralisierung würde uns bei der Beschleunigung der Verfahren sicher helfen“, sagt der Experte und verweist auf überforderte Botschaften, in denen Antragsteller monatelang keine Termine bekämen.

Diesen Punkt moniert auch der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae. Die Verfahren, zum Beispiel bei der Visa-Vergabe bei den Auslandsvertretungen vor Ort, müssten „deutlich beschleunigt“ werden.

Der innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm, kritisiert die Eckpunkte scharf, weil sie keine Bürokratie abbauen würden. Gerade für Qualifizierte müsse mehr geschehen. „Der Ampel geht es nicht um Fachkräfte. Sie will mehr Un- und Minderqualifizierte aus Drittstaaten anwerben“, sagt er dem Tagesspiegel. So nütze die Reform Deutschland langfristig nicht.

Auch Geis-Thöne betont, dass Fachkräfte gezielter angeworben werden müssten. „Wir müssen uns auf Länder fokussieren, die eine günstige demographische Entwicklung haben und gleichzeitig anständige Ausbildungssysteme haben“, sagt Geis-Thöne.

Vor allem in Indien, Indonesien oder auch Bangladesch sieht er Potenziale – darauf müsse die Regierung den Fokus legen, auch beim Thema Ausbildung.

Ein Problem ist aber auch die Sprache. „Die Vorstellung, dass alle Fachkräfte der Welt nach Deutschland kommen wollen, ist eine Illusion“, sagt auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Auf der Welt sprächen nur 100 Millionen Menschen Deutsch. Das sei ein Wettbewerbsnachteil. Es müsse deshalb eine gezielte Anwerbestrategie geben.

In der Wirtschaft stoßen die Ampel-Pläne grundsätzlich auf positive Reaktionen. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt einfacher und unkomplizierter zu machen, dafür stelle die Politik nun die richtigen Weichen, sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Zuwanderung allein reiche aber nicht aus. „Wir brauchen auch eine stärkere Aktivierung des inländischen Potentials“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false