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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine Verlängerung des Abschiebegewahrsams auf maximal 28 Tage vorgeschlagen.

© dpa/Christoph Soeder

Faesers Abschiebe-Pläne: Was würde eine Verschärfung bringen?

Die Bundesinnenministerin will das Abschieberecht ändern und damit die Zahl der Rückführungen erhöhen. Doch die Wirkung ist umstritten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vorgeschlagen, den Abschiebegewahrsam für ausreisepflichtige Ausländer von höchstens zehn auf bis zu 28 Tage auszuweiten.

Damit sollen laut den Überlegungen aus dem Innenministerium die Behörden mehr Zeit bekommen, um Abschiebungen vorzubereiten. Erwogen wird außerdem, dass Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote ein eigenständiger Haftgrund werden sollen.

Faeser reagierte mit dem Diskussionsentwurf auf einen Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern vom vergangenen Mai. In dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz hatte es seinerzeit geheißen, dass zur Entlastung von Ländern und Kommunen „ein effektives Rückführungsmanagement für Personen ohne Bleiberecht“ von großer Bedeutung sei.

12.945
Menschen wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der Bundesregierung aus Deutschland abgeschoben

Über Faesers Vorschlag soll nun weiter mit den Ländern und Kommunen beraten werden. Erst im Anschluss an diese Beratungen will das Innenministerium Gesetzentwürfe vorlegen.

Allerdings sehen nicht nur die Grünen die Pläne der Ministerin kritisch. Kritik erntete Faeser, die im Oktober bei der Landtagswahl in Hessen als SPD-Spitzenkandidatin antritt, auch in der eigenen Partei.

Die Ausweitung des Ausreisegewahrsams und die Ausdehnung der Polizeibefugnisse seien „aus sozialdemokratischer Sicht mehr als schwierig“, sagte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.

Nach seinen Worten führten Verschärfungen bei den Abschieberegelungen keinesfalls zu mehr Abschiebungen. Es scheine „die seehofersche Symbolpolitik“ zurückgekehrt zu sein, kritisierte er.

Nach Angaben der Organisation Pro Asyl standen Ende 2022 mehr als 300.000 Ausreisepflichtige im Ausländerzentralregister. Allerdings sei davon auszugehen, dass rund 55.000 von ihnen inzwischen nicht mehr in Deutschland sind, da Ausreisen nicht erfasst werden.

250.000
Ausreisepflichtige gibt es in Deutschland

Somit blieben den Angaben zufolge Ende des vergangenen Jahres rund 250.00 Ausreisepflichtige, von denen ein Großteil aus humanitären, gesundheitlichen oder familiären Gründen geduldet sei.

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im vergangenen Jahr knapp 13.000 ausreisepflichtige Menschen aus Deutschland abgeschoben.

Hinzu kommt, dass Abschiebungen nach Afghanistan seit August 2021 ausgesetzt sind. Damals brachten die radikalislamistischen Taliban die Hauptstadt Kabul wieder unter ihre Kontrolle.

Wie oft scheitern Abschiebungen? Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom vergangenen Februar ergab sich, dass im vergangenen Jahr 20.106 geplante Abschiebungen auf dem Luftweg vor der Übergabe an die Bundespolizei am Ende nicht zu Stande kamen.

Darunter waren 4969 so genannte Dublin-Überstellungen, also Abschiebungen in andere EU-Staaten wie Italien, wo die Migranten zunächst den Boden der EU betreten haben.

Es scheint die seehofersche Symbolpolitik zurückgekehrt zu sein.

Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD

In den meisten Fällen (13.370) wurden die Abschiebeversuche abgebrochen, weil das Ersuchen auf Abschiebung wieder storniert wurde. Faesers Vorschlag sieht nun vor, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung mehr haben sollen.

Weit geringer war laut der Antwort der Bundesregierung vom Februar die Zahl der Fälle, die nach der Übernahme der Abschiebepflichtigen durch die Bundespolizei im vergangenen Jahr abgebrochen wurden. In 256 Fällen weist die Statistik dabei den Widerstand von Abschiebepflichtigen auf Linienflügen aus.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erwartet von Innenministerin Faeser mehr Tempo.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erwartet von Innenministerin Faeser mehr Tempo.

© dpa/David Young

Auf Seiten der Union geht man davon aus, dass Faesers Überlegungen in der Praxis tatsächlich die Zahl der Abschiebungen merklich erhöhen und damit auch zu einer Entlastung der Kommunen beitragen würden.

So forderte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU),  dass die Bundesinnenministerin die bereits mit den Ländern vereinbarten Neuregelungen bei Abschiebungen sofort umsetzen müsse. „Doch statt Konsequenz gibt es nur Diskussionspapiere: zu wenig, zu langsam, zu zögerlich“, sagte Wüst der Funke Mediengruppe weiter.

Dabei sind aber offenbar auch die Länder daran beteiligt, wenn Abschiebungen scheitern. Nach einem Bericht des „Spiegel“ haben neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer Probleme, eine Zusage von ihrem Flüchtlingsgipfel vom Mai einzuhalten.

Bei dem Treffen vereinbarten beide Seiten, dass die an Abschiebungen beteiligten Behörden rund um die Uhr erreichbar sein müssten. Damit wollte die Ministerpräsidentenkonferenz Abschiebungen auch nach Feierabend und an den Wochenenden beschleunigen.

Eine Abfrage des Bundesinnenministeriums ergab nun allerdings dem Bericht zufolge, dass die zen­tralen Ausländerbehörden nur in we­nigen Bundesländern wie Brandenburg und Hessen bisher eine durchgängige Rufbereitschaft haben.

Die große Mehrheit der Länder habe die Vereinbarung des Gipfels hingegen noch nicht umgesetzt. In dem Beschluss der Runde hatte es seinerzeit geheißen: „Um Fragen bei polizeilichen Aufgriffen von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen jederzeit zügig klären zu können, stellen Bund und Länder eine durchgängige Erreichbarkeit der zuständigen Behörden sicher.“

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