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Friedrich Merz verweist darauf, dass der Brandbrief der Wirtschaft an alle 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten gerichtet war.

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

Fremdelt die Wirtschaft mit der Union?: Das Wachstumsgesetz bringt die CDU in Erklärungsnot

Die Konjunkturdaten sind schlecht, die Ampelregierung steht auch dafür in der Kritik. Dass nun diese Woche ausgerechnet das Gesetz im Vermittlungsausschuss eingedampft wird, auf das die Wirtschaft viel Hoffnung setzt, irritiert so manche Branche. Steckt mehr hinter dem Brandbrief vom Wochenende?

Die CDU hat sich an diesem Montag das Thema Wettbewerbsfähigkeit auf die Fahnen geschrieben. Als Parteichef Friedrich Merz im Konrad-Adenauer-Haus Ursula von der Leyen für die erneute Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin empfahl, spielte eine große Rolle, wie die Europäische Union ihre Wachstumsschwäche überwinden kann.

In der deutschen Innenpolitik präsentiert sich Merz, der in seiner politischen Auszeit von 2009 bis 2018 in der Wirtschaft tätig war, ohnehin als natürlicher Verbündeter derselben. Doch am Wochenende hat dieses Bild einen Kratzer bekommen, von dem noch nicht so recht klar ist, wie tief er ist.

In einem scharf formulierten Brief machten insgesamt 18 kleinere Branchenverbände aus der deutschen Wirtschaft ihrem Ärger über die Haltung der Union zum sogenannten Wachstumschancengesetz Luft. Dass in der aktuell so schwierigen konjunkturellen Lage „ein erstes Zeichen der Zuversicht“ verschleppt werde, hieß es darin, „wird den derzeitigen strukturellen Problemen unseres Standorts nicht gerecht“.

Merz verwies schon am Sonntagabend in der ARD darauf, dass das Schreiben an alle 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten gerichtet war und nicht nur seine CDU ein Problem mit dem Gesetz habe. Tatsächlich sollten Länder und Kommunen einen Großteil des ursprünglichen Entlastungsvolumens von sieben Milliarden Euro selbst tragen. Die Union hätte das vom Bundestag bereits verabschiedete Gesetz gar nicht alleine stoppen und an den Vermittlungsausschuss überweisen können, der diesen Mittwoch eine Entlastung von nur noch drei Milliarden Euro diskutiert.

„Parteitaktische Spielchen“

Gleichwohl enthielt der Brief speziell an die Union gerichtete Kritik. Deren Ländervertreter wollen in Absprache mit Merz dem Wachstumsgesetz nur zustimmen, wenn die Ampelkoalition die schrittweise Abschaffung der Agrardieselsubventionen rückgängig macht. Wer solche „parteitaktischen Spielchen“ betreibe, schrieb unter anderem der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, „verkennt die Dimension der strukturellen wirtschaftlichen Herausforderungen“.

Das Wachstumschancengesetz verdiente von Anfang an seinen Namen nicht.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn

Fremdelt also die Wirtschaft doch mehr mit der CDU und CSU, als man gemeinhin denkt? Haben etwa zu Unrecht 35 Prozent der Bundesbürger in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen der Union die mit Abstand größte Wirtschaftskompetenz zugeschrieben? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Merz und dessen Union in der Haushaltsgeneraldebatte vor drei Wochen ja sogar vorgehalten, über „null ökonomischen Sachverstand“ zu verfügen.

Das weist die Union natürlich weit von sich. „Das Verhältnis der Union zur Wirtschaft ist so gut wie lange nicht“, sagt Fraktionsvize Jens Spahn dem Tagesspiegel. Er meint, dass sich die Ampel das Problem selbst eingebrockt hat, weil der Bund seine Steuerausfälle „faktisch zu einem Drittel über die Belastung der Landwirtschaft gegenfinanzieren“ wolle. Er hält aber vom Gesetz selbst auch nicht viel. „Das Wachstumschancengesetz verdiente von Anfang an seinen Namen nicht, das ist eine Mikro-Entlastung mit viel zu wenig Effekt.“

Bei jeder Gelegenheit fordern CDU und CSU Steuersenkungen, doch wenn es drauf ankommt, stimmen sie nicht mit.

FDP.Fraktionschef Christian Dürr

Das sehen aber auch größere Wirtschaftsverbände anders. Einer generellen Kritik an CDU und CSU enthalten sie sich, beim Wachstumsgesetz ist man aber dezidiert verschiedener Meinung. Der Industrieverband BDI hat sich einem Sprecher zufolge „bereits mehrmals zu dem Wachstumschancengesetz und seiner dringenden Notwendigkeit geäußert“. Peter Adrian, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), rief in der „Wirtschaftswoche“ ebenfalls zur Zustimmung ohne Halbierung des Volumens auf: „Der Vermittlungsausschuss muss sich daher darauf verständigen, zumindest dieses Paket endlich umzusetzen.“

Union weist Kritik zurück

Gitta Connemann, die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) von CDU und CSU, versucht die Kritik der Verbände auf die Ampel umzuleiten. Natürlich enthalte das Wachstumschancengesetz „einen elementaren Impuls für den Wohnungsbau“ und verschaffe kleinen und mittleren Unternehmen „etwas Luft“, es sei aber mit seinem Volumen „nicht mehr als ein Strohhalm, an dem sich manche Verbände festhalten. Ein solcher Hilfeschrei ist kein Affront gegen die Union, sondern er verstärkt unsere Warnrufe“. Er zeige zudem, „wie verzweifelt“ die Lage vieler Firmen sei.

Den Liberalen, die in Gestalt von Bundesfinanzminister Christian Lindner das Gesetz entworfen haben, bietet diese Haltung willkommenen Anlass zur Werbung für ihre „Wirtschaftswende“ und zur Kritik an CDU und CSU.

„Ich kann nicht nachvollziehen, dass ausgerechnet die Union, die sich gerne Wirtschaftskompetenz auf die Fahnen schreibt, dieses zentrale Vorhaben blockiert“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr dem Tagesspiegel: „Bei jeder Gelegenheit fordern CDU und CSU Steuersenkungen, doch wenn es drauf ankommt, stimmen sie nicht mit.“ Merz und CSU-Chef Markus Söder blockierten Entlastungen aus rein parteipolitischen Gründen, so Dürr, „auf dem Rücken unserer Unternehmen“.

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