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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, aufgenommen im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jair Lapid, Außenminister und alternierender Ministerpräsident von Israel, am 10. Februar 2022.

© Imago

Baerbock zu Besuch in Israel: Für Nahost braucht es neue Ideen

Es muss ja nicht gleich die große Friedensinitiative sein, aber wie wäre es mit neuen Projekten etwa im Bereich Tech oder Klima? Ein Kommentar.

Die gute Nachricht zuerst: Annalena Baerbock hat bei ihrem Antrittsbesuch in Israel die richtigen Worte gefunden. Von weitem mag das einfach aussehen, zumal sie inhaltlich vertraute Wege gegangen ist: Der Horror der Vergangenheit, die Staatsräson, alle Klassiker der besonderen bilateralen Beziehung tauchten auf. Aber so einfach ist es doch nicht, weil sich auf dem tückischen Themenfeld von deutscher Geschichte, israelischer Politik und Judenhass eben auch eine ganze Menge Falsches sagen lässt.

Nach der letzten Bundestagswahl hatten einige rechte Kommentatoren in Israel die Solidarität der Grünen zum Jüdischen Staat in Frage gestellt. Baerbocks vertraute Wortwahl dürfte manche Skeptiker beruhigt haben.

In einem weiteren Punkt signalisierte sie Beständigkeit: beim Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Auch die neue Bundesregierung halte eine Zwei-Staaten-Lösung für die einzige Möglichkeit, Frieden für beide Seiten zu schaffen, sagte sie, und wer meint, den Satz schon oft gehört zu haben, irrt nicht. Es hat ja Gründe, warum deutsche Außenpolitiker ihn immer wieder sagen, gute und schlechte: Er ist vernünftig, und leider erfordert es die Lage vor Ort, ihn immer wieder zu wiederholen.

Aber hört noch irgendjemand zu? So oft wird die Zwei-Staaten-Lösung beschworen, dass ihr pflichtbewusstes Erwähnen einen ähnlichen Effekt hat wie die Frage „Wie geht’s?“ im tagtäglichen Smalltalk. Muss halt gesagt werden, der Form halber, also bringen wir es schnell hinter uns und kommen zum nächsten Punkt.

Darf es vielleicht doch etwas mehr sein als die obligatorische Ermahnung?

Vor Ort ist die Lage denkbar weit von einer Zwei-Staaten-Lösung entfernt. Unter der neuen israelischen Regierung reden Vertreter beider Seiten wenigstens wieder miteinander, das ist ein Fortschritt im Vergleich zu den Netanjahu-Jahren. Verhandlungen über eine Konfliktlösung hat Israels Regierung unter dem rechten Ministerpräsidenten Naftali Bennett jedoch ausgeschlossen, zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der acht Koalitionspartner. Dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas wiederum fehlt die Legitimität und wohl auch der Wille, um die schweren Kompromisse zu beschließen, die eine Lösung beiden Seiten abverlangte. Und so stolpert der Konflikt stur weiter, mit immer neuen Opfern.

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Nichts davon ist Annalena Baerbocks Schuld. Aber darf es vielleicht doch etwas mehr sein als die obligatorische Ermahnung? Deutschland hat es neuerdings mit einer israelischen Regierung zu tun, die für Ideen und Initiativen aus Europa ein offenes Ohr hat, und auch durch Berlin weht ein frischer Wind. Das ist eine Chance.

Die deutsche Außenministerin besuchte auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

© Florian Gaertner/imago/Photothek

Es muss ja nicht gleich die große Friedensinitiative sein, aber wie wäre es mit ein paar neuen, pfiffigen Projekten mit deutscher, israelischer und palästinensischer Beteiligung, vielleicht im Bereich Tech oder Klima? Solche Initiativen würden keine Berge versetzen, auch keine Grenzzäune, aber vielleicht ein wenig Vertrauen schaffen und der deutschen Diplomatie zu mehr Relevanz verhelfen. Auch aus Scheu vor robusterer Außenpolitik verweist Berlin ja gern auf seine diplomatischen Fähigkeiten. Nahost wäre ein guter Ort, sie unter Beweis zu stellen.

Mareike Enghusen

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