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Die drei von der Regierungsbank geraten zunehmend in die Kritik.

© IMAGO/photothek

Zähes Ringen : Gaspreisdeckel statt Umlage – die Ampel arbeitet an der Kehrtwende

Wenige Tage vor Inkrafttreten der Gasumlage will die Regierung das Projekt doch noch abräumen. Zum Problem wird jedoch die Finanzierung.

Christian Lindner freut sich ein bisschen darüber, dass er nichts sagen will. Mehrfach wird der Bundesfinanzminister und FDP-Chef in einer Pressekonferenz am Montag gefragt, wie die Regierung die Gaspreisbremse finanzieren wolle, immer weicht er aus.

Er wolle nicht aus „internen Meinungsbildungsprozessen“ berichten. Er wolle „nicht über Instrumente spekulieren“. Zum möglichen Ende der geplanten Gasumlage der Regierung könne er „im Einzelnen“ nichts sagen. Nur so viel: „Ich habe eine ganz präzise Vorstellung“.

Lindner lächelt ganz leicht. Er hat einen Wissensvorsprung, für einen Spitzenpolitiker ist das nicht die schlechteste Position. Wann er seine Vorstellung mit der Öffentlichkeit teilen will, möchte er auch nicht sagen. Immerhin aber weiß man nach der Pressekonferenz, dass ein Gaspreisdeckel kommen soll, und dass der FDP-Chef die Schuldenbremse für das Jahr 2023 weiterhin einhalten will. Ein „ausdrückliches Bekenntnis“ dazu fordert er von seinen Koalitionspartnern von SPD und Grünen.

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Denn Grüne und Sozialdemokraten blicken skeptisch auf die Schuldenbremse, viele finden sie schlichtweg falsch, andere halten die Krise für zu groß, die Belastungen für zu schwer, um sie einzuhalten. Statt der Umlage soll nun also ein Preisdeckel kommen. Dabei sollte eine Gaskommission eigentlich unabhängig von der Gasumlage Vorschläge zu einer möglichen Gaspreisbremse erarbeiten.

Ich kann versichern, dass Robert Habeck alles dafür tut, damit die Umlage so schnell wie möglich fällt.

Grünen-Chef Omid Nouripour

Der Umgang der Bundesregierung mit dem Thema kippt derweil zunehmend ins Absurde. In wenigen Tagen soll sie eigentlich in Kraft treten, doch ob sie jemals wirksam wird, wagen nicht einmal Regierungsvertreter in diesen Tagen zu prognostizieren.

SPD-Chefin Saskia Esken prophezeite am Wochenende, sie rechne noch in dieser Woche mit einem „Ende der Gasumlage“. Grünen-Chef Omid Nouripour rechnet dagegen mit einem kurzzeitigen Inkrafttreten. „Ich kann versichern, dass Robert Habeck alles dafür tut, damit die Umlage so schnell wie möglich fällt“, sagte er bei „ntv“.

Robert Habeck arbeitet am zeitnahen Ende seiner eigenen Idee.

© imago/Christian Spicker / IMAGO/Christian Spicker

In Habecks Wirtschaftsministerium war die Gasumlage im Juli unter großem Zeitdruck erarbeitet worden, weil Energieversorger wie Uniper vor dem Kollaps standen. Mit zunächst 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollten die Gaskunden die Versorger stützen.

Doch in der Hektik entstanden – trotz Absprachen mit Kanzleramt und Finanzministerium – Fehler. Dass auf die Umlage noch Mehrwertsteuer erhoben wurde, war politisch nicht vermittelbar. Eine Ausnahme-Regelung mit der EU scheiterte, weswegen die Mehrwertsteuer auf Gas rasch gesenkt wurde. Dann kam heraus, dass auch profitable Unternehmen Anspruch auf die Gasumlage haben sollten. Wieder musste nachgebessert werden.

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Ausgerechnet jetzt, da die Gasumlage mit allen Reparaturarbeiten startklar wäre, könnte sie noch gestoppt werden. Da die größten deutschen Gas-Importeure – Uniper und Sefe – bald verstaatlicht sind, würde die Umlage wie eine Steuer wirken. So zumindest die Ansicht im Wirtschaftsministerium. Eine verfassungsrechtliche Prüfung durch die Juristen des Innenministeriums läuft noch.

Wenn die Bundesregierung ihre Entlastungsversprechen wahrmachen will, führt an einer Ausnahme von der Schuldenbremse auch in 2023 kein Weg vorbei.

Daniel Wesener, Berliner Finanzsenator

Ehe eine Alternative für die Gasumlage gefunden ist, muss die Finanzierung geklärt werden. Die Schuldenbremse aufzuheben, liegt nahe. In einem Antrag der Grünen-Spitze zum Parteitag Mitte Oktober fordern sie, das Instrument auch 2023 auszusetzen.

Druck auf Lindner kommt zunehmend auch aus den Bundesländern, wo die Landregierungen stärker mit den Sorgen der Bürger und Unternehmer konfrontiert werden. „Wenn die Bundesregierung ihre Entlastungsversprechen wahrmachen will, führt an einer Ausnahme von der Schuldenbremse auch in 2023 kein Weg vorbei“, sagte Berlins Finanzsenator Daniel Wesener dem Tagesspiegel. „Das ist keine politisch-ideologische Frage, sondern eine mathematische.“

Auch Monika Heinold, Finanzministerin in Schleswig-Holstein, meint: „In Zeiten multipler Krisen darf die Schuldenbremse kein Bremsklotz sein, um die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen.“

Für die Liberalen ist die Schuldenbremse identitätsstiftend

Zurückhaltender äußerte sich dagegen Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), der dank gestiegener Steuereinnahmen zuletzt einen Doppelhaushalt vorlegen konnte, der nicht mit der Schuldenbremse kollidiert.

Ein erneutes Aussetzen sei Sache der Ampel-Koalition in Berlin, lässt Bayaz auf Anfrage mitteilen. „Die verfassungsrechtliche Hürde dafür ist allerdings recht hoch, immerhin hatten wir in diesem Jahr bislang noch steigende Steuereinnahmen.“ Es werde auf die konjunkturelle Entwicklung der nächsten Monate ankommen. „Es ist aber schon heute absehbar, dass investieren, breit entlasten ohne jede Form der Steuerhöhung und gleichzeitig noch die Schuldenbremse einhalten auf Dauer schlichtweg nicht funktionieren wird“, so Bayaz.

Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg.

© Marijan Murat/dpa

Für die FDP bleibt die Schuldenbremse aber ein identitätsstiftendes Thema. Lindner glaubt, dass die Aufhebung der Schuldenbremse die Inflation noch stärker treiben würde. „Würde die Schuldenbremse aufgehoben, dann würde mit Sicherheit nicht nur all das finanziert werden, was wir für die Krise brauchen, sondern dann kommen allgemeine politische Vorhaben und Wünsche mit“, sagt er. „Das wäre der finanzpolitische Dammbruch.“

Die Liberalen sind mit dieser Position in der Koalition ziemlich allein. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch schlägt ein anderes Instrument zur Finanzierung der Entlastungen vor: So könnten diese „solidarisch über die Abschöpfung der Übergewinne im Strombereich, durch Haushaltsmittel sowie durch einen leistungsgerechten Energiesoli erfolgen“.

Dass Finanzminister Lindner einen „Energiesoli“ zur Finanzierung einführen will, wirkt eher abwegig. Bislang hat die FDP sich als klare Anti-Soli-Partei verstanden. Es werden lange Tage für die Ampel-Koalition. Das nächste zähe Ringen um eine Lösung hat bereits begonnen.

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