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Einer von der Regierungsbank ist für den Industriestrompreis, zwei dagegen.

© dpa/Michael Kappeler

Idee findet Unterstützer: Habeck will einen Industriestrompreis – doch wie funktioniert er?

Seit Monaten trommelt der Wirtschaftsminister für einen Industriestrompreis, doch bislang blockieren Olaf Scholz und die FDP. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Seit dem Frühsommer wabert die Diskussion um einen Industriestrompreis. Aber auch jetzt, im Spätsommer, ist die Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weiterhin nur eine Idee. Doch angesichts der schwachen Konjunkturdaten gewinnt der Vizekanzler zunehmend Unterstützer. „Ich kämpfe dafür, dass er kommt“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Wochenende im ZDF-Sommerinterview über den Industriestrompreis.

Doch dabei wird Klingbeil zuerst seinen Parteifreund, Bundeskanzler Olaf Scholz, überzeugen müssen. Denn in der Debatte gibt es viele Argumente für und gegen ein solches Instrument.


Wie funktioniert der Industriestrompreis?

Der Vorschlag, den Habeck bereits Anfang Mai auf den Tisch gelegt hat, sieht vor, dass nur energieintensive Unternehmen, wie Stahl- und Aluminiumhersteller oder die Grundstoffchemie-Industrie von dem gedeckelten Strompreis profitieren sollen. Sie sollen davon aber nur profitieren, wenn die Unternehmen nachweisen können, dass sie ihre Produktion in Zukunft klimaneutral aufstellen wollen und sich zum Standort Deutschland bekennen.

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Cent pro Kilowattstunde soll der Strom für energieintensive Branchen kosten.

Dann soll der Strom pro Kilowattstunde maximal sechs Cent kosten. Die Kosten darüber deckelt der Staat mit Steuergeld. Um Effizienzanreize zu setzen, will Habeck zudem nur 80 Prozent des Stromverbrauchs eines Unternehmens deckeln.

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Wie lange wird er benötigt?

„Wir wollen Dauersubventionen vermeiden“, sagte Habeck schon im Mai. Er schlage daher „eine Brücke vor, die dann in eine Zukunft mit niedrigen erneuerbaren Strompreisen und ohne Subventionen führt.“ Doch wie lange diese Brücke genau dauert, darüber gibt es keine genauen Pläne.

Schätzungen, wie sich der Strompreis in den kommenden Jahren entwickelt, haben weder das Wirtschaftsministerium, noch die Bundesnetzagentur vorliegen, wie es auf Anfrage heißt. Habeck rechnet jedoch damit, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mittelfristig zu sinkenden Strompreisen führt.

Einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen halte ich nicht für den richtigen Weg. Das bremst den Strukturwandel, der aber dringend notwendig ist.

Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen

Die Netzagentur rechnet in ihrem Szenariorahmen damit, dass Erneuerbare schon 2037 zwischen 565 und 576 Gigawatt produzieren – aktuell sind es nur etwa 140 Gigawatt.

Doch ob dadurch der Strompreis sinkt, ist nicht garantiert. Denn auch mit einem höheren Stromverbrauch rechnet die Bundesnetzagentur angesichts der steigenden Bedeutung von Strom in der Mobilität und beim Heizen. Von heute 533 Terawattstunden auf 900 bis 1050 Terawatt soll der Bedarf allein bis 2037 steigen.


Warum wird ein Industriestrompreis benötigt?

Der Strompreis ist zum Standortnachteil für Deutschland geworden. Der Strompreis ist zum Standortnachteil geworden. In China kostet Strom nur rund ein Siebtel des hiesigen Preises, in den USA etwa ein Viertel, und auch in vielen anderen europäischen Staaten, wie Frankreich, Schweden oder Polen, ist Strom deutlich billiger als in Deutschland.

Standortnachteil Strompreis. In Deutschland sollen energieintensive Branchen durch einen Strompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde entlastet werden, damit sie nicht abwandern.

© Reuters/Fabian Bimmer

Manche Ökonomen sehen darin kein Problem: „Einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen halte ich nicht für den richtigen Weg“, sagte etwa die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, dem „Handelsblatt“. „Das bremst den Strukturwandel, der aber dringend notwendig ist“, so Schnitzer, die es als sinnvoller erachtet, bestimmte Grundstoffe in Zukunft nach Deutschland zu importieren.

Das lehnt Habeck jedoch kategorisch ab: „Das würde den Verlust ganzer Industriezweige bedeuten“, sagte er zuletzt im Podcast „Lage der Nation.“ Er sorgt sich nicht nur um die Arbeitsplätze, sondern auch um mögliche Abhängigkeiten.


Warum sträuben sich der Kanzler und die FDP?

Olaf Scholz hat sich scheinbar festgelegt: „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten“, sagte der Kanzler in der vergangenen Woche vor Unternehmerverbänden in Nordrhein-Westfalen. Seine Bedenken zielen aber offenbar vor allem auf die Finanzierung. Habeck hatte vorgeschlagen, den Industriestrompreis aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu bezahlen.

Die Skepsis der Liberalen ist grundsätzlicher: „Ein Industriestrompreis wäre verteilungspolitisch ungerecht“, sagt FDP-Chef Christian Lindner (FDP), schließlich würden Mittelständler und Unternehmer der Industrie den billigen Strompreis finanzieren. Zudem würde die Subvention den freien Markt persiflieren, da Unternehmen mit billigem Strom keine Anreize zur Transformation hätten. Lindner plädiert daher für eine Senkung der Strom- und Energiesteuern. Eine Einigung ist weiter nicht in Sicht.

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