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Hubert Aiwanger ist stellvertretender bayerischer Ministerpräsident sowie bayerischer Wirtschaftsminister.

© picture alliance/dpa/dpa-Pool

Update

Interview zur Flugblatt-Affäre: Aiwanger ließ Antworten kurz vor Veröffentlichung streichen

In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ wirft Hubert Aiwanger den Medien eine gezielte Kampagne gegen ihn vor. Einige seiner Antworten zog er wieder zurück.

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Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat in der Flugblatt-Affäre seine Vorwürfe gegen die „Süddeutsche Zeitung“ bekräftigt und deren Berichterstattung über ihn als lange geplante Kampagne bezeichnet. „Ich glaube, dass die Süddeutsche schon deutlich länger an der Geschichte dran ist als jetzt behauptet“, sagte der Chef der Freien Wähler in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“.

Es gebe eine bezeugte Aussage, wonach ein Mitarbeiter aus der CSU-Landesleitung 2008 öffentlich gesagt habe, es würden Unterlagen über Aiwanger aus der Schule gesucht, „um den fertig zu machen“. Hinzu komme die Aussage, dass die SZ „wohl damals schon bei dem Lehrer angefragt hat“, so Aiwanger weiter gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. „Das ist also nach meiner Einschätzung schon länger in der Schublade der SZ und wurde zum vermeintlich richtigen Zeitpunkt platziert.“

Mehrere Antworten zog der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident jedoch kurz vor Redaktionsschluss zurück, wie die Zeitung schreibt. Dabei handelt es sich vor allem um Fragen, die Aiwangers Erinnerungslücken und den Zeitpunkt des Wissens um die Existenz des Flugblatts betreffen.

Die Antworten zu folgenden Fragen ließ er streichen:

  • Sie haben mehrfach gesagt, an vieles erinnern Sie sich nicht mehr so genau. Und Sie haben gesagt, Zitat: „Der Vorfall war ein einschneidendes Erlebnis für mich, hat wirklich wichtige gedankliche Prozesse angestoßen.“ Können Sie noch mal erklären, welche gedankliche Prozesse er bei Ihnen angestoßen hat in der Jugend?
  • Was uns überrascht hat, ist, dass Sie sich an so viele Dinge nicht mehr erinnern können, wo es doch ein so einschneidendes Erlebnis war in Ihrer Jugend. Wenn sich so ein Schuldirektor vor einem aufbaut zur Standpauke, das weiß man doch noch.
  • Ab wann haben Sie denn gewusst, dass Ihr Bruder dieses Flugblatt verfasst hat?
  • Wollen Sie, falls die Koalition mit der CSU bei den Wahlen bestätigt wird, stellvertretender Ministerpräsident bleiben?

Bei einem Wortlautinterview ist es ein übliches Vorgehen, dass Redaktionen dem Gesprächspartner seine Antworten vor der Publikation zur Autorisierung vorlegen. „Nach journalistischen Grundsätzen nicht zu akzeptieren ist allerdings, dass unsere Gesprächspartner Fragen streichen, die in dem Interview gestellt und beantwortet wurden. Genau das wurde in diesem Fall kurz vor Redaktionsschluss versucht“, schreibt die „Augsburger Allgemeine“ zur Erklärung.

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Auf X, vormals Twitter, schrieb der Journalist Holger Sabinsky-Wolf, der das Interview gemeinsam mit Christoph Frey geführt hatte: „Am liebsten hätte er auch gleich unsere Fragen gestrichen. Da machen wir nicht mit.“

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Aiwanger trug als Schüler antisemitisches Flugblatt bei sich

In dem Interview beschuldigt Aiwanger die SZ, sie habe einen politischen Machtwechsel forcieren wollen. „Die wollten die Freien Wähler rausdrängen und die Grünen ins Spiel bringen, um Fairness ging es da nicht“, sagte Aiwanger in dem Interview.

Die SZ hatte im August - einige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern im Oktober - berichtet, dass Aiwanger als Oberstufenschüler ein antisemitisches Flugblatt in der Tasche hatte. Mehrere Zeugen beschrieben den Schüler Hubert Aiwanger zudem als rechtsradikal. Kurze Zeit später übernahm allerdings Aiwangers Bruder Helmut die Verantwortung für das Flugblatt. Aiwanger selbst distanzierte sich zwar von dessen Inhalt, doch sein Umgang mit der Affäre sorgte bundesweit für scharfe Kritik.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte seinem Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister daraufhin einen Fragenkatalog vorgelegt. Trotz vager Antworten und vieler vorgebrachter Erinnerungslücken hielt Söder jedoch an ihm fest. Aiwanger sprach von einer Medienkampagne gegen sich.

Der Spiegel hatte zudem berichtet, bereits 2008 habe ein CSU-Politiker sich die Schulakte von Aiwanger besorgen wollen, um diesen „politisch fertigzumachen“. So habe es ein Parteifreund Aiwangers ihm schriftlich geschildert. Aiwanger habe sich daraufhin einen Termin beim damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) geben lassen, um herauszufinden, ob er ausgeforscht werde. Von einem CSU-Mitarbeiter sei schließlich eine eidesstattliche Versicherung gekommen, dass dies nicht der Fall sei, schrieb der Spiegel unter Verweis auf Aussagen Aiwangers.

Aiwanger sieht Freie Wähler obenauf

Indes sieht Aiwanger die Freien Wähler durch die Affäre gestärkt. „Die aktuelle Debatte, wird noch mal zwei, drei Prozent gebracht haben, weil die Menschen sagen: Wir sehen das als Kampagne“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Deshalb wolle er bei einem ebenso guten Wahlergebnis auf ein viertes Ministeramt für die Freien Wähler pochen.

Wahlumfragen sahen die Freien Wähler zuletzt im Aufwind. In einer Erhebung des Instituts Infratest dimap für den „Bayerischen Rundfunk“ erreichte die Aiwanger-Partei einen Rekordwert von 17 Prozent. Bei der Landtagswahl im Herbst 2018 hatten die Freien Wähler noch 11,6 Prozent geholt.

Den offenen Fragen, die sich nach Aiwangers Antworten auf Söders Fragenkatalog ergaben, war er in einer Sondersitzung im bayerischen Landtag in der vergangenen Woche ausgewichen. Im sogenannten Zwischenausschuss zu der Affäre äußerte er sich nicht zu den Aufklärungsforderungen der Opposition. (Tsp, cz)

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