zum Hauptinhalt
Etappensieg für Lisa Paus: Am Mittwoch konnte sie nach dem Kabinettsbeschluss ihren Gesetzentwurf für die Kindergrundsicherung präsentieren.

© dpa/Michael Kappeler

Kabinettsbeschluss zur Kindergrundsicherung: Massive Kritik an den Plänen von Ministerin Paus

Der Kabinettsbeschluss zur Kindergrundsicherung ist da. Wie es nun weitergeht und welche Einwände gegen das Vorhaben es gibt: ein Überblick.

Der Kabinettsbeschluss ist da: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat für das Projekt Kindergrundsicherung einen wichtigen Meilenstein erreicht. Am Mittwoch wurde ihr Gesetzentwurf verabschiedet. Damit richtet sich der Blick nach vorn, auf ein aller Voraussicht nach debattenreiches weiteres Gesetzgebungsverfahren. Gefragt sind nun Bundestag und Bundesrat. In der Länderkammer, die einem Gesetz zustimmen müsste, ist mit viel Widerstand zu rechnen.

„Nach Jahrzehnten der politischen Diskussion hat diese Bundesregierung eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden, denn mit der Kindergrundsicherung knüpfen wir ein wirksames Sicherheitsnetz für alle Kinder und ihre Familien“, sagte Paus am Mittwoch. „Kinder und Jugendliche sollen vor Armut geschützt und ihnen soll ein sorgenfreies Aufwachsen und bessere Chancen für den Start ins Leben ermöglicht werden. Es wird zukünftig endlich bessere, schnellere und direktere Leistungen für alle Familien geben.“

Das sagt die Bundesagentur für Arbeit

Ob dieses Ziel mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu erreichen ist, ist umstritten. Da ist zum einen die Frage, wie viel Aufwand für die Umsetzung der Reform unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit entsteht. Vanessa Ahuja, Vorständin für Familienleistungen der Bundesagentur, wies am Mittwoch darauf hin, die Bundesagentur brauche eine ausreichende Vorlaufzeit, um die komplexe IT zu programmieren. „Bleibt es bei der geplanten Verabschiedung zu Beginn des kommenden Jahres, können wir im Verlauf des Jahres 2025 mit der stufenweisen Einführung beginnen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Für uns hat Priorität, ein gelungenes Gesetz zu verabschieden, kein schnelles.

Martin Gassner-Herz, FDP-Bundestagfraktion

Wie der Tagesspiegel zuerst berichtete, hatte die Bundesagentur in einer Stellungnahme im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses klargemacht, dass sie die geplante vollständige Umsetzung zum 1. Januar 2025 für nicht realistisch hält. Seitdem wurden allerdings im Gesetzentwurf Vereinfachungen vorgenommen, um die verwaltungstechnische Komplexität zu reduzieren.

„Wir begrüßen den Kabinettsbeschluss für dieses wichtige familienpolitische Vorhaben und werden die weiteren Schritte mit voller Kraft begleiten“, sagte Ahuja. „Klar ist: Mit der Programmierung der umfangreichen IT können wir erst starten, wenn alle Details geklärt und konsensfähig ausgereift sind.“

Wann und ob dies der Fall sein wird, ist aber unklar. Zum einen wird es im Bundestag noch viel Beratungsbedarf geben. „Für uns hat Priorität, ein gelungenes Gesetz zu verabschieden, kein schnelles“, sagte Martin Gassner-Herz, Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion für die Kindergrundsicherung, am Mittwoch dem Tagesspiegel. Sorgfalt sei nötig: „Spätere Notreparaturen können wir bei einer so komplexen Verwaltungsreform nicht riskieren.“ Es dürfe keine neuen Ungerechtigkeiten oder bürokratische Hürden geben. „Hier müssen wir unbedingt auf die Expertise von Verbänden und Verwaltungsprofis hören.“

Harsche Kritik an Paus’ Entwurf

Das Echo aus dieser Richtung ist bisher für Ministerin Paus unerfreulich. Bei der Verwaltungsreform sei viel Umstellung, aber wenig Vereinfachung und teilweise sogar eine Verkomplizierung festzustellen, sagte am Mittwoch der Präsident des Familienbundes der Katholiken, Ulrich Hoffmann. Sein Fazit: „Im Moment besteht der Eindruck, dass eine umfangreiche Umetikettierung bisheriger Regelungen und größere Umstellungen auf der Verwaltungsebene vor allem dazu dienen, symbolische Veränderungen herbeizuführen und den eigentlich geringen Gehalt der Reform zu überdecken.“

Hoffmann machte auch einen Alternativvorschlag: „Wahrscheinlich würde man für die Familien mehr erreichen, wenn man mit dem zur Verfügung stehenden Budget gezielt den bestehenden Kinderzuschlag verbessern würde.“

Stellungnahmen von Verbänden, die Paus’ Pläne ähnlich kritisch sehen, gibt es zuhauf. Da sind zum einen viele familien- und sozialpolitischen Verbände, die auf eine breite Erhöhung der Transferleistungen gehofft hatten. Da diese nicht kommt, ist die Enttäuschung groß. Es bleibt die Frage, ob mit der Reform eine Vereinfachung und Entbürokratisierung gelingt. Aber auch da sind die bisherigen Rückmeldungen überwiegend skeptisch.

Paus jedoch ist vom Nutzen der Reform überzeugt. Zukünftig werde das Kindergeld, dann unter dem Namen Kindergarantiebetrag, automatisch an die Preisentwicklung angepasst. Das sei ein großer Fortschritt. Zudem werde die neue Behörde namens Familienservice direkt über mögliche Ansprüche informieren, und die Berechnung und Auszahlung der Leistungen würden einfacher.

Droht ein Verwaltungsdesaster?

Das allerdings sehen insbesondere die Kommunen anders. Von einem drohenden „Verwaltungsdesaster“ sprach am Mittwoch Reinhard Sager (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistages. „Das Vorhaben macht uns ratlos. Es führt zu einem vollkommen übereilten und chaotischen Bürokratieaufbau.“

Die Reform sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar, weise Widersprüche auf und sei unausgegoren. Sie erfordere ein Maximum an Datenabrufen und Austauschen zwischen verschiedenen Behörden und sei höchst komplex. „Vor allem konfrontiert sie die betroffenen Familien mit mehr Bürokratie als bislang. Das liegt daran, dass ohne Not versucht wird, das bewährte System der Jobcenter zu umgehen und Teile von deren Leistungen über die Familienkassen auszuzahlen. Zugleich aber bleiben die Jobcenter parallel zuständig. Das wird ein Verwaltungs-Desaster.“

Welche Teile ihrer Pläne Paus durchsetzen kann, wird maßgeblich vom Bundesrat abhängen. Dort ist die Ampel-Koalition auf Stimmen aus Ländern angewiesen, in denen die Union mitregiert. Die aber teilt die Kritik der Kommunen.

Mit einem Vermittlungsausschuss ist fest zu rechnen. Wie viel dann von dem am Mittwoch beschlossenen Gesetzentwurf übrig bleibt, ist noch kaum zu prognostizieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false