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Thüringer Verhältnisse: Linken-Ministerpräsident Ramelow (l) ist immer wieder auf die Zustimmung von CDU-Fraktionschef Voigt (r) angewiesen.

© picture alliance/dpa/Bodo Schackow

„Das käme einer Selbstaufgabe gleich“: Muss die CDU ihr Tabu aufgeben und mit der Linken koalieren?

Die AfD ist im Aufwind. In Thüringen ist eine Regierungsmehrheit ohne sie nicht möglich - zumindest solange die CDU nicht mit der Linken zusammenarbeiten will. Jetzt flammt die Debatte wieder auf.

Es war ein Moment, der in die Geschichte des deutschen Parlamentarismus einging. Björn Höcke beugt das Haupt und gratuliert Thomas Kemmerich zur Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten. Die AfD hatte dem FDP-Mann die entscheidenden Stimmen gegeben.

Für die AfD war das ein Coup. Kemmerich blieb bekanntermaßen nicht lang Ministerpräsident, doch der Vorgang im Februar 2020 erschütterte die Bundespolitik nachhaltig. Möglich war das, weil der Linke Bodo Ramelow keine Mehrheit im Parlament hatte – und die anderen Parteien die AfD unterschätzten.

Im kommenden Jahr wählt Thüringen wieder. Jetzt steht die AfD in Umfragen bei 34 Prozent – weit vor allen anderen Parteien. Die Höcke-Partei hat also gute Chancen, stärkste Kraft zu werden. Das facht nun erneut die Debatte darüber an, welche Koalitionen künftig im Osten noch möglich sind – und ob die CDU ihren Grundsatz aufrechterhalten kann, mit der Linkspartei nicht zu koalieren.

Der Ex-CDU-Landeschef fordert Gespräche mit den Linken

Ein Grundproblem in Thüringen ist, dass AfD und Linke zusammen mehr als 50 Prozent haben. Die Linke ist hier durch ihren anerkannten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow deutlich stärker als anderswo. Und so sind Mehrheiten ohne die AfD im Thüringer Landtag auch nach aktuellen Umfragen nicht möglich – zumindest, solange die CDU nicht mit der Linken koalieren will.

In Thüringen wird die AfD von Björn Höcke angeführt.
In Thüringen wird die AfD von Björn Höcke angeführt.

© dpa/Martin Schutt

CDU-Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring will nun offenbar an dem Tabu rütteln. In der Partei von Ministerpräsident Ramelow arbeiteten Leute, die „ihre Sache mit Sinn und Verstand machen“, sagte der ehemalige Thüringer CDU-Landeschef dem Portal „The Pioneer“. Nach der Wahl müsse die Union daher im Zweifel auch mit der Linkspartei sprechen. „Die alten Bonner Koalitionsmodelle sind perdu.“ Man könne AfD und Linke nicht gleichsetzen.

Mohring ist nicht der erste, der diesen Vorstoß macht. Auch Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, hatte 2018 eine Debatte ausgelöst. Er riet seiner Partei zur Offenheit für Koalitionen mit der Linkspartei im Osten. Wenn Wahlergebnisse es nicht hergäben, dass ein Regierungsbündnis gegen die Linke gebildet wird, „muss die CDU pragmatisch sein“, sagte er. Der Vorstoß brachte ihm viel Kritik ein. Als „Genosse Günther“ titulieren ihn manche in seiner Partei.

Die alten Bonner Koalitionsmodelle sind perdu.

Mike Mohring, Ex-Landeschef der CDU in Thüringen

Auch Mohrings Vorstoß stößt nun in der CDU auf wenig Gegenliebe. Das sei ein Schrei nach Aufmerksamkeit, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Mike Mohring führte lange den Thüringer Landesverband der CDU.
Mike Mohring führte lange den Thüringer Landesverband der CDU.

© dpa/Martin Schutt

Die CDU Thüringen hatte schon nach dem AfD-Wahlsieg bei der Landratswahl in Sonneberg ein Papier mit Schlussfolgerungen veröffentlicht. Darin betonte die CDU, es könne weder eine Koalition mit der AfD noch mit der Linken geben. „Wer jetzt verlangt, die CDU solle zu Gesprächen mit der Linkspartei bereit sein, steht alleine da“, sagt der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Hirte dem Tagesspiegel. AfD und Linkspartei seien Teil des Problems und nicht der Lösung.

Auch auf Bundesebene gibt es scharfe Kritik. „Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei käme einer Selbstaufgabe gleich“, sagte der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, der „Welt“. Auch zum „Sozialismus“ müsse die „Brandmauer“ bestehen „oder die Union kann einpacken“.

Gerade für die Wahlkämpfer in Bayern und Hessen dürfte die Debatte zur Unzeit kommen. „Die Union steht für sich selbst. Wir denken nicht in Koalitionen“, sagt CSU-Generalsekretär Martin Huber.

Für die CDU ist die Lage verzwickt

Dennoch stellt sich die Frage, wie es in Thüringen nach der Wahl weitergehen kann. Dass die Bildung von Regierungen immer schwieriger wird, zeigt sich auch in anderen Bundesländern im Osten. Eine echte Strategie scheint es aber nicht zu geben.

Derzeit wird Thüringen von einer rot-rot-grünen Minderheitskoalition regiert. Sie muss sich immer wieder mit der CDU absprechen, damit diese beispielsweise dem Haushalt zustimmt. Für Rot-Rot-Grün ist das Regieren mit angezogener Handbremse. Auch für die CDU ist die Situation unbefriedigend. Sie kann zwar über die notwendigen Absprachen mit Rot-Rot-Grün immer wieder eigene Forderungen durchsetzen. Gleichzeitig ist es schwer, sich als Opposition zu profilieren.

CDU-Politiker Hirte gibt es sich dennoch gelassen. „Es wird auch künftig eine Regierung in Thüringen geben, egal ob sie eine Mehrheit hat oder nicht“, sagt er. „Aber natürlich wollen wir als CDU so stark werden, dass wir eine absolute parlamentarische Mehrheit aus der Mitte bilden können.“

Momentan sieht es aber danach nicht aus. CDU-Landeschef Mario Voigt hat die Vorstellung, dass es nach der Wahl zumindest die CDU sein könnte, die eine Minderheitsregierung anführt. Einfacher würde es dadurch aber nicht werden. Zumal es immer wieder passieren könnte, dass Gesetze nur durch die Zustimmung der AfD eine Mehrheit finden – was der Partei zu politischer Wirksamkeit verhelfen würde.

Eine Koalition mit der AfD jedenfalls würden auch die allermeisten CDU-Wähler in Thüringen nicht wollen. Laut einer in dieser Woche erschienenen Umfrage des Instituts infratest dimap sind nur 13 Prozent der CDU-Wähler für eine Koalition zwischen CDU und AfD. Eine Koalition von Linken und CDU würden dagegen 27 Prozent der CDU-Wähler befürworten. Dass dieses Tabu bald fällt, scheint aber auch angesichts der jüngsten Debatte wenig wahrscheinlich.

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