zum Hauptinhalt
Ist nur Bares Wahres? Vor allem in Deutschland wird gerne mit Bargeld bezahlt.

© Foto: picture alliance/dpa/Silas Stein

Kritik an Faesers Bargeld-Obergrenze: Warum die Deutschen von Scheinen und Münzen nicht ablassen wollen

Um der Geldwäsche einen Riegel vorzuschieben, will die Bundesinnenministerin Bargeschäfte auf 10.000 Euro beschränken. Manche sehen darin einen „Freiheitsentzug“.

Eine Obergrenze für Bargeldzahlungen rückt näher: Schon am Wochenende hatte sich Innenministerin Nancy Faeser für eine Obergrenze von 10.000 Euro ausgesprochen, um den Kampf gegen Geldwäsche zu verschärfen.

Weitere konkrete Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität will Faeser bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden vorstellen, die am Mittwoch beginnt. Zuspruch für ihren Vorstoß erhält Faeser von den Sicherheitsbehörden, die sich am Abwickeln größerer Geschäfte mit Cash stören. Dagegen spricht sich nicht nur die Union aus, auch in der Ampel gibt es mal wieder Unstimmigkeiten.

„Eine Bargeldobergrenze ist Freiheitsentzug“, schrieb der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler am Montagvormittag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und traf damit bei vielen Partei-Freund:innen einen Nerv. Doch aufhalten lässt sich das Projekt wohl nicht mehr.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Schon im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission eine EU-weite Obergrenze vorgeschlagen, um Geldwäsche zu erschweren. „Nach derzeitigem Verhandlungsstand soll eine solche Obergrenze bei 10.000 Euro eingezogen werden“, heißt es in einem Papier aus dem Bundesfinanzministerium, das dem Tagesspiegel vorliegt. Einige Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, haben sich sogar für eine Absenkung der Obergrenze auf 5000 Euro eingesetzt. Ende des Jahres soll im Ausschuss der ständigen Vertreter in Brüssel die allgemeine Ausrichtung der neuen europäischen Geldwäscherichtlinie beschlossen werden.

Viele EU-Staaten haben bereits ein Limit

Etliche EU-Staaten haben bereits ein solches Limit und deshalb auch mit einer niedrigeren Grenze kein Problem. Die Marschroute ist auch in Deutschland schon länger erkennbar. So hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Oktober das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II vorgestellt, das Barzahlungen beim Immobilienerwerb verbieten soll, „um Geldwäscherisiken im Immobiliensektor zu minimieren.“

Dieses wird auch von der Bundesnotarkammer unterstützt. Bargeld sei aufgrund seiner Anonymität grundsätzlich zur Geldwäsche geeignet, sagte der Sprecher der Kammer Martin Thelen dem Tagesspiegel. „Wir halten es deshalb für richtig, dass die Bundesregierung zumindest für den als besonders geldwäscherelevant erachteten Bereich der Immobiliengeschäfte Barzahlungen verbieten möchte.“

Obgleich sie mittelbar von der Obergrenze profitieren sollen, löst Faesers Vorstoß bei vielen Vebraucher:innen Unmut aus. Woran liegt das – dürften doch für den Großteil der Bevölkerung Bargeschäfte im fünfstelligen Bereich nicht eben zum Alltag gehören?

Die Deutschen hängen offenbar am Bargeld. In kaum einem anderen Land benutzen die Menschen so gerne das Bargeld und nicht die Karte. Das Bargeld genießt innerhalb der deutschen Bevölkerung immer noch ein sehr hohes Vertrauen. 

20
Prozent von knapp 6000 Befragten in Deutschland haben erst während der Corona-Pandemie das bargeldlose Zahlen für sich entdeckt.

Eine Studie der Bundesbank zeigt, dass fast 20 Prozent von knapp 6000 Befragten wegen der Corona-Pandemie überhaupt erst das bargeldlose Bezahlen für sich entdeckt haben. Das sei ein krasser Unterscheid zu anderen westlichen Ländern, vor allem im angelsächsischen Raum, wo das bargeldlose Bezahlen seit Jahren absolut gang und gebe sei, sagte Michael Bauer, Professor für Volkwirtschaftslehre an der Universität Hamburg, dem Tagesspiegel.

Viele Menschen sind risikoavers und skeptisch gegenüber Neuem, deshalb sparen sie ihr Geld lieber zuhause, auf dem Sparbuch oder Festgeldkonten.

Michael Bauer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.

„Das Zögern der Deutschen ist durch verschiedene Faktoren zu erklären“, sagt Bauer, der fünfzehn Jahre in den USA geforscht hat, unter anderem bei der Federal Reserve Bank, der US-amerikanischen Zentralbank. Nur Bares sei Wahres, diese sprichwörtliche Auffassung sei in Deutschland immer noch weit verbreitet. „Was Finanzen angeht, ist man hier konservativ, die Liebe zum Bargeld ist ein Stück weit ein Spiegel der deutschen Mentalität.

Viele Menschen sind risikoavers und skeptisch gegenüber Neuem, deshalb sparen sie ihr Geld lieber zuhause, auf dem Sparbuch oder Festgeldkonten, obwohl das in Zeiten von Inflation und Geldentwertung natürlich kontraproduktiv ist“, sagt Bauer.

In der Verhaltensökonomik gebe es das berühmte Muster, dass die Wahrscheinlichkeit von Gefahren überschätzt würde, über die man häufig liest und spricht. „Da man sich in Deutschland sehr gerne auf Probleme und Risiken fokussiert, stehen auch was Geld angeht meist die Risiken im Vordergrund.“

Bauer betont jedoch auch, dass die Affinität zum Bargeld in Deutschland auch damit einhergehe, dass die Digitalisierung hinterherhinke – und die Gebühren höher seien. „In Amerika kann jeder Kaffee mit einer debit- oder Creditkarte bezahlt werden, davon sind wir in Deutschland noch sehr weit entfernt.“

Bargeld habe viele psychologische Werte, die über die reine Zahlfunktion hinausgingen, sagte die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters dem Tagesspiegel. Dazu gehörten Aspekte wie Tradition, Sicherheit, Bewährtheit oder Inklusion.

„Menschen reagieren deshalb oft emotional, wenn es darum geht, das Bargeld einzuschränken oder abzuschaffen. Auch wenn mit Bargeld vor allem kleinere Beträge gezahlt werden und eine Bargeldobergrenze von 10.000€ für die meisten Zahlungen nicht relevant ist, entstehen automatisch Verlustängste.“ 

Die Einführung einer Obergrenze wird stärker als Verlust empfunden, als dass das eigentliche Ziel der Korruptionseindämmung als Gewinn wahrgenommen wird.

Julia Pitters, Wirtschaftspsychologin.

Aus der Wirtschaftspsychologie sei bekannt, dass sich Menschen im Verlustbereich sensibler verhielten als im Gewinnbereich. „Die Einführung einer Obergrenze wird stärker als Verlust empfunden, als dass das eigentliche Ziel der Korruptionseindämmung als Gewinn wahrgenommen wird.“

Bundesverband der Verbraucherzentrale gegen Vorstoß Faesers

Ferner hatte sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen die Initiative Faesers gewandt: „Der Staat muss wirksame Maßnahmen gegen Geldwäsche betreiben, das steht außer Frage“, sagte die Leiterin des Teams Finanzmarkt beim VZBV, Dorothea Mohn, dem „Handelsblatt“. „Es ist aber nicht gut, Bargeldnutzer unter Generalverdacht zu stellen und in ihrem Handeln zu beschränken.“

Meldungen, die Bundesregierung habe sich bereits auf die Zustimmung zu einer Obergrenze oder auf eine bestimmte Höhe festgelegt, seien unzutreffend, heißt es aus dem Bundesministerium für Finanzen (BMF). Im Gegenteil: Bundesfinanzminister Christian Lindner habe immer deutlich gemacht, dass Bargeldkäufe weiterhin möglich sein müssten. Bargeld müsse als Alternative zum digitalen Zahlungsverkehr erhalten bleiben. „Bürgerinnen und Bürger sollen weiterhin Bargeld als Zahlungsmittel im täglichen Gebrauch uneingeschränkt nutzen können. Das BMF setzt sich daher weiter für einen freien Bargeldverkehr in Europa ein.“

Eine mögliche Obergrenze könne auf EU-Ebene mit qualifizierter Mehrheit und damit auch gegen die Stimme Deutschlands beschlossen werden. „Deshalb kann Deutschland mit seiner abgestimmten Position lediglich Einfluss auf die Richtung der Entscheidung nehmen, das streben wir an.“

Für Christian Lindner dürfte nun also Schadensbegrenzung das oberste Gebot sein: Zumindest zu verhindern, dass die mögliche Grenze von 10.000 Euro noch gesenkt wird. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false