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Das Kabinett Scholz bei der Klausurtagung im Sommer 2022: Noch paritätisch besetzt

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Lambrecht-Nachfolger wird ein Mann: Parität im politischen Betrieb gibt es nicht

Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister, damit ist die Parität im Kabinett nicht mehr gewahrt. Das ist heikel, aber nachvollziehbar. 

Ein Kommentar von Valerie Höhne

Ein Jahr hat die Parität im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gehalten, mit dem Abgang von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der Berufung von Boris Pistorius, bis dato niedersächsischer Innenminister, ist sie dahin. Es war eine zu kurze Phase der gleichberechtigten Machtaufteilung in Deutschland.

Die Reaktionen sind erwartbar. Auf Twitter beklagen viele Grüne und Sozialdemokraten das Ende der Kabinettsparität, was wiederum die Union kritisiert. Es sei schließlich Krieg, nun dürfe das Geschlecht keine Rolle mehr spielen. Es wäre zu einfach, einer Seite pauschal recht zu geben.

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Die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik twitterte, es seien „gleich mehrere äußerst qualifizierte Frauen“ für die Lambrecht-Nachfolge im Gespräch gewesen. Wenn sie recht hätte, wäre Scholz‘ Entscheidung für einen Mann und gegen eine Frau tatsächlich unverständlich. Denn immer noch werden Frauen in Deutschland strukturell benachteiligt.

Verteidigungsministerium gilt als schwierigstes Ressort

Doch so einfach ist es nicht. Für den Posten im Gespräch waren Eva Högl, Wehrbeauftragte der Bundesregierung und frühere Fraktionsvize der SPD, und Siemtje Möller, seit einem Jahr Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. Beide haben noch nie ähnliche Verantwortung getragen.

Das Ministerium gilt als schwierigstes Ressort der Regierung, es steht vor immensen Herausforderungen. Strukturen müssen reformiert werden, die Truppe, die jahrelang vernachlässigt wurde, muss im Eiltempo für die mögliche Bündnisverteidigung ausgerüstet werden. Das Ministerium muss schnell wichtige Entscheidungen treffen, die das Kriegsgeschehen in der Ukraine direkt beeinflussen.

Scholz Aufgabe war es, jemanden zu finden, dem die Lösung dieser Probleme zumindest in Ansätzen zugetraut wird. Er wäre schlecht beraten gewesen, sich vor allem am Geschlecht zu orientieren.

Das Problem ist größer als die Diskussion um einen Posten

Doch dass es für den Posten eben keine Frau gab, die sich aufdrängte, zeigt das größere Problem. 65 Prozent aller Bundestagsabgeordneten sind Männer, seit über 20 Jahren stagniert der Frauenanteil im Parlament bei 30 bis 35 Prozent. In den Landesparlamenten ist es nicht besser.

Es gibt weniger Frauen für Posten in der Spitzenpolitik, weil weniger Frauen es schaffen, in die Berufspolitik einzusteigen. Kurzum: Es gibt keine Parität im politischen Betrieb.

Das zu ändern, sollte der Anspruch aller Parteien sein – würden sie ihn erfüllen, müsste man Diskussionen über Gleichberechtigung am Kabinettstisch viel seltener führen.

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