zum Hauptinhalt

Politik: London nennt Angriff auf Iran undenkbar

Im Atomstreit mit Teheran planen die Europäer Wirtschaftshilfe – einen Militärschlag lehnen sie ab

London/Berlin Auch nach der Drohung von US-Präsident George W. Bush, das iranische Atomprogramm notfalls durch einen Militärschlag zu stoppen, setzt die Europäische Union weiterhin auf Verhandlungen. „Wir wissen, dass die USA und die EU das gleiche Ziel haben, aber dieses auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen versuchen“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. „Das Ziel ist ein Iran, der nicht über Atomwaffen verfügt.“ Die EU verhandelt mit Iran über ein Kooperationsabkommen: Im Gegenzug zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Hilfe bei der zivilen Nutzung von Atomenergie soll Iran zusichern, dauerhaft auf die Anreicherung von Uran zu verzichten.

Berlin, Paris und London führen die Verhandlungen stellvertretend für die Gemeinschaft. Auch Großbritannien, das bei der Besetzung des Iraks wichtigster Partner der USA ist, setzt gegenüber Iran auf Diplomatie. Der britische Außenminister Jack Straw hatte bereits im November einen Militärschlag gegen die iranischen Nuklearinstallationen in aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Er könne keine Umstände sehen, in denen das gerechtfertigt sei, sagte er in einem BBC-Interview. Auf die Frage, ob Großbritannien gegebenenfalls einen Präventivschlag der Amerikaner unterstützen würde, sagte er: „Nicht nur ist das undenkbar, es ist auch undenkbar, dass es einen (solchen Angriff) gibt.“ Im Außenministerium in London bestätigte man gestern, dass sich an dieser Position nichts geändert habe.

Die britische Regierung setzt weiter auf die EU-Initiative. Wenn sie scheitert, was die Londoner Pragmatiker durchaus in Betracht ziehen, wird der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet. Sanktionen sind dann der nächste Schritt. Manche Beobachter sehen in der Iranpolitik derzeit eine klare Differenz zwischen London und Washington – und manche sagen, der britischen Regierung wären solche Differenzen nach dem Irakkrieg gar nicht so unlieb. Im Londoner Außenministerium bestreitet man das allerdings. Man betont, dass auch Bush in seinem jüngsten Interview gesagt habe, Diplomatie sei im Augenblick der beste Weg.

Dass die USA tatsächlich Luftschläge gegen Iran planen, halten auch politische Beobachter in den USA derzeit nicht für wahrscheinlich. Zu viele Argumente sprechen dagegen: Die Atomanlagen liegen teilweise in Wohngebieten, bei Angriffen würden viele Zivilisten getötet. Mit Luftangriffen werde nicht sichergestellt, dass alle geheimen Anlagen ausgeschaltet sind. Sie würden zudem ein Ende der Verhandlungen bedeuten. So kommt James Fallows in „Atlantic Monthly“ zu der Folgerung: Auch die USA werden auf Diplomatie setzen, gleichzeitig aber eine Drohkulisse aufbauen. „Bluff and patience“ nennt Fallows diese Strategie, die auf Einschüchterung und Geduld setze.

Diese Strategie hält auch Konfliktforscher Olivier Minkwitz von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung für wahrscheinlich. Denkbar sei eine Arbeitsteilung, bei der die Europäer verhandeln und die USA drohen. „Letztlich können die Europäer aber bei den Verhandlungen ohne Einbindung der USA nichts erreichen“, sagte Minkwitz dem Tagesspiegel. avi/mth/dpa

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false