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Politik: Mexiko sucht Rückhalt

Proteste bei Präsident Calderóns Besuch im Schloss Bellevue

Von Michael Schmidt

Berlin - Felipe Calderón braucht jede Unterstützung, die er kriegen kann. Nicht von ungefähr führt seine erste große Auslandsreise den 44-Jährigen, der am 1. Dezember 2006 von Tumulten begleitet ins Amt des mexikanischen Staatschefs eingeführt wurde, nach Europa. Ein Empfang bei Bundespräsident Horst Köhler und ein Treffen mit Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel am Donnerstag bildeten den Auftakt zu einer Werbetour, die den Konservativen in den kommenden Tagen auch zum Weltwirtschaftsforum in Davos und nach Großbritannien und Spanien führen wird. Dabei geht es, wie Bert Hoffmann vom Giga-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg sagt, um zweierlei: politische Anerkennung und den Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen.

Nach einem hauchdünnen Wahlsieg, den sein Gegner, der linkspopulistische Lopez Obrador bis heute nicht anerkennt, regiert Calderón ein 107-Millionen-Einwohner-Land, das territorial und sozial zweigeteilt ist – zwischen Arm und Reich, zwischen dem industrialisierten Norden und dem ländlichen Süden. „Weil sein Wahlsieg offen infrage gestellt wird, ist Calderón bemüht, seine Legitimität bei jeder nur denkbaren Gelegenheit zu untermauern“, sagt Hoffmann. Deshalb suche er den Schulterschluss mit Europa, internationale Anerkennung und Rückhalt auf neutralem Boden. „Indem er zuerst nach Berlin fährt und nicht nach Washington, transportiert er zugleich die Botschaft an seine heimischen Gegner: Seht her, ich bin kein Kandidat der USA.“

Sein gestriger Besuch war dennoch von Protesten begleitet. Eine öffentliche Diskussionsveranstaltung mit Wirtschaftsführern wurde abgesagt, weil die Sicherheitsbehörden Störungen befürchteten. Bei der Begrüßung durch Horst Köhler drang eine Gruppe von 18 Demonstranten auf den Rasen vor dem Schloss Bellevue, um gegen Menschenrechtsverletzungen in Mexiko zu demonstrieren.

In der Heimat türmt sich ein Berg von Problemen auf. Die Korruption ist allgegenwärtig, Amnesty International beklagt, dass weder Presse- und Versammlungsfreiheit noch die Menschenrechte garantiert seien. Das Gewalt- und Kriminalitätsniveau ist hoch, während der Amtszeit seines Vorgängers Vicente Fox starben 9000 Menschen im Krieg der Rauschgiftbanden. Im Bundesstaat Oaxaca herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Die soziale Ungleichheit ist himmelschreiend, 40 Prozent der Mexikaner leben in Armut. Ohne die Emigration von jährlich einer halben Million Mexikaner in die USA und deren Rücküberweisungen, die 2005 rund 20 Milliarden US-Dollar betrugen und nach dem Erdöl die zweitwichtigste Devisenquelle darstellen, wäre der soziale Sprengstoff noch größer.

Dabei ist die wirtschaftliche Entwicklung auf den ersten Blick durchaus positiv. Im vergangenen Jahr verzeichnete Mexiko, das zu den 14 größten Volkswirtschaften der Welt gehört und siebtgrößte Exportnation ist, ein Wachstum von geschätzt 4,6 Prozent. Aber: Das sei weniger Produktivitätszuwächsen zu verdanken als dem hohen Ölpreis, meint Ursula Stiegler von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zudem sei die mexikanische Wirtschaft in hohem Maße von der US-Konjunktur abhängig. 82 Prozent seines Außenhandels wickelt Mexiko mit seinem nördlichen Nachbarn ab. Nur acht Prozent macht der Handel mit Europa aus. Dabei ist Deutschland vor Spanien der größte Handelspartner in der EU. 2006 stiegen die deutschen Ausfuhren auf geschätzte 7,3 Milliarden, die mexikanischen auf knapp 2,3 Milliarden Euro. Das sei gut, meint Calderón, könne aber noch besser werden.

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