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Zorn und Frust treiben Iranerinnen und Iraner auf die Straße.

© IMAGO/Social Media

Mit Mut und Wut: Die iranischen Machthaber haben den Zorn der Frauen unterschätzt

Tausende Menschen gehen nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini auf die Straße. Das gewollte Klima der Angst fällt dem Regime in Teheran jetzt auf die Füße.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Es ist ein Aufschrei. Wut, Frust und Verzweiflung treiben Tausende Iraner – vor allem Iranerinnen – auf die Straße. Nicht nur in Teheran, sondern auch in anderen Teilen des Landes.

Das ist mutig und verdient großen Respekt, ja, Bewunderung. Denn die Mullahs und ihre Machtclique herauszufordern, ist lebensgefährlich. Die Herrscher kennen keine Gnade, sondern nur Gewalt.

Jede Form von Opposition wird bekämpft

Schon wer das Kopftuch abnimmt, um so gegen den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam zu protestieren, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Selbst bei kleinsten Gesten des Widerstands knüppeln und schießen die Handlanger des Regimes.

Das ist seit vielen Jahren gängige Taktik der Herrschenden. So soll jede Form von Auflehnung und Opposition im Keim erstickt werden. Wer seine Stimme gegen die Unterdrücker erhebt, wird ausgeschaltet.

Aus Protest gegen das iranische Regime und religiöse Vorgaben schneiden sich Frauen die Haare ab.

© Reuters/Faezeh Afshan

Doch offenbar haben die Hardliner um Präsident Ebrahim Raisi dieses Mal den angestauten Zorn der Menschen unterschätzt. Sie glaubten offenbar in ihrer Überheblichkeit und Volksferne, der Tod einer jungen Frau, die wegen einer „unislamisch“ getragenen Kopfbedeckung von der Sittenpolizei auf offener Straße festgenommen wurde, bliebe folgenlos. Da haben sich die Mullahs getäuscht.

Junge Iraner lehnen die religiösen Regeln ab

Gerade junge Menschen im Iran sind es im 21. Jahrhundert leid, von alten Herren gegängelt zu werden. Die rigiden ideologischen, und religiösen Vorgaben der Klerikerkaste lehnen sie ab, versuchen, die Regeln im Alltag bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu umgehen.

Dahinter steckt der Wunsch nach mehr Freiheit, Selbstbestimmung und einem halbwegs guten Leben. Für derartige Bedürfnisse lassen die Herrscher aber jedes Verständnis vermissen. Sie setzen allein auf ein Klima der Angst. Und das fällt ihnen jetzt auf die Füße.

Immer mehr Menschen verarmen

Denn viele Iranerinnen und Iraner haben noch ein Problem mit dem Regime: Es tut nichts gegen die Folgen der verheerenden Wirtschaftskrise und die immer rasanter um sich greifende Armut. Abertausende wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Raisi hat sich die Lage der Menschenrechte nochmals verschlechtert.

© AFP/Ludovic Marin

Der Unmut wächst tagtäglich und spielt auch bei den aktuellen Protesten eine große Rolle. Die Not im maroden Gottesstaat ist eben nicht gottgewollt, sondern menschengemacht. Einige wenige bereichern sich auf Kosten der anderen. Das wissen die Iranerinnen und Iraner ganz genau. Auch aus diesem Grund müssen die Mächtigen das eigene Volk fürchten.

Nur täusche sich keiner: Die Islamische Republik und deren Diktatoren sind noch nicht am Ende. Auch diesen Protesten werden die Wächter der Revolution mit mörderischer Brutalität wohl den Garaus machen. Doch ewig lässt sich Herrschaft nicht allein auf Gnadenlosigkeit aufbauen. Auch Mullahs haben ein Verfallsdatum.

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