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Geflüchtete westlich von Tripolis in internationalen Gewässern.

© Imago/Hotspot-Foto/Rene Traut/Johannes Moths

Vorstoß auf dem Bund-Länder-Gipfel: UN-Flüchtlingshilfswerk sieht Asylverfahren in Drittstaaten kritisch

Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, zu prüfen, ob Asylverfahren außerhalb der EU durchgeführt werden können. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hält das für nicht umsetzbar.

Es war das Thema, das die Ministerpräsidenten entzweite und für den größten Ärger bei den Beratungen im Kanzleramt mit Olaf Scholz sorgte. Die Forderung der unionsgeführten Länder, dass Asylverfahren künftig auch in Drittstaaten außerhalb der EU durchgeführt werden sollten, hatte die SPD-Ministerpräsidenten überrascht und zu einer stundenlangen Verzögerung geführt.

Die Idee, die auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterstützt hatte, kommt vom
Migrationsforscher Gerald Knaus, der als Vordenker des EU-Türkei-Deals gilt. Am Ende des Treffens im Kanzleramt einigten sich Bund und Länder darauf, solche Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen.

In der Union wird der Vorstoß auch damit unterfüttert, dass die Asylverfahren unter der Obhut des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ablaufen sollen. Deutschland ist dort zweitgrößte Zahlernation. Die Camps, die sich die Union offenbar vorstellt, sollen von der Organisation gemanagt werden. Auch soll das UNHCR dafür stehen, dass die Verfahren rechtlich sauber verlaufen.

Doch beim UN-Flüchtlingshilfswerk hält man gar nicht so viel von der Idee. „Das UNHCR vertritt seit langem den Standpunkt, dass Rückführungen oder Überstellungen in sichere Drittstaaten nur dann als angemessen angesehen werden können, wenn bestimmte Standards erfüllt sind – insbesondere, dass diese Länder die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention und die menschenrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang respektieren“, teilte der deutsche Ableger des UNHCR auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Zudem müsste die Vereinbarung dazu beitragen, die Verantwortung für Flüchtlinge fair unter den Staaten zu teilen, anstatt sie nur zu verlagern.

Die primäre Verantwortung für die Prüfung von Asylanträgen liegt bei dem Staat, in dem ein Asylsuchender ankommt.

Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR

Ein Sprecher des UNHCR Deutschland erklärte weiter: „Nach dem Flüchtlingsvölkerrecht liegt die primäre Verantwortung für die Prüfung von Asylanträgen und die Gewährung von internationalem Schutz bei dem Staat, in dem ein Asylsuchender an den Land- oder Seegrenzen ankommt und um diesen Schutz ersucht.“ Diese Verpflichtung werde durch die Überstellung von Asylbewerbern oder die extraterritoriale Bearbeitung nicht berührt.

Es sei zwar möglich, dass zwischen den Staaten Vereinbarungen zu Überstellungen bei der Zusammenarbeit im Asylbereich getroffen werden, doch müssten solche Maßnahmen den Schutz von Flüchtlingen sicherstellen und insgesamt erweitern.

Das UNHCR habe immer wieder Maßnahmen gefordert, um die Lage im Mittelmeer zu verbessern und Solidarität mit den am meisten betroffenen Ländern zu zeigen, teilte der Sprecher weiter mit. Man sei sich aber der Herausforderungen bewusst, die die gleichzeitigen Migrations- und Fluchtbewegungen mit sich bringen würden.

Und weiter: „UNHCR ist bereit, mit allen Staaten zusammenzuarbeiten, um im Einklang mit den internationalen Standards im Geiste der länderübergreifenden Zusammenarbeit mit angemessenen Schutzmaßnahmen und Garantien die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu wahren.“

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