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 Ein Schützenpanzer der Bundeswehr vom Typ Marder fährt bei einer Informationslehrübung über einen Übungsplatz.

© dpa / Philipp Schulze

Update

Frankreich und USA preschen vor: Bundesregierung vor Kurswechsel bei Panzerlieferungen

Der Bundeskanzler hat bisher stets betont, „keine Alleingänge“ bei der Militärhilfe für die Ukraine zu unternehmen. Nun ist eine neue Lage entstanden.

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Die Bundesregierung will zeitnah über Panzerlieferungen an die Ukraine entscheiden. Das kündigte Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck am Donnerstag bei einem Besuch in Norwegen an. Es werde zügig beraten und dann würden auch Entscheidungen getroffen, so der Grünen-Politiker in Oslo.

Zuvor hatte der Tagesspiegel aus Regierungskreisen erfahren, dass die Bundesregierung vor einem möglichen Kursschwenk in der Panzerdebatte steht.

„Nach den Äußerungen aus Paris und Washington beraten wir uns weiterhin intensiv mit den Verbündeten in den USA und Frankreich über die weitere Unterstützung für die Ukraine“, hieß es am Donnerstag in Regierungskreisen gegenüber dem Tagesspiegel. In der Bundesregierung wurde in diesem Zusammenhang „insbesondere auf das nächste Treffen im Ramstein-Format Mitte Januar“ verwiesen.

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Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Rheinland-Pfalz hatte Ende April des vergangenes Jahres ein erstes Koordinationstreffen der Länder stattgefunden, die der Ukraine Militärhilfe zukommen lassen. Nun soll die nächste Zusammenkunft dieser Runde offenbar der Zeitpunkt sein, bis zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Klarheit über mögliche deutsche Kampfpanzerlieferungen schaffen will.

Frankreich will Spähpanzer liefern

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am Donnerstag außerdem, dass die Bundesregierung die Lieferung von leichten Marder-Schützenpanzer erwäge.

Der Hintergrund: Nachdem sich die Bundesregierung monatelang gegen eine Lieferung von Panzern ausgeprochen hatte verkündete am Mittwochabend erst Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Wolodymyr Selenskij, das der Ukraine nun „leichte Kampfpanzer“ vom Typ AMX-10 überlassen würden. Wenige Stunden später bestätigte US-Präsident Joe Biden, auf den sich Scholz stets berufen hat, dass die Vereinigten Staaten Schützenpanzern des Modells Bradley zu liefern erwägen.

Die deutschen Marder entsprechen ungefähr den französischen und US-Modellen.

Der Bundeskanzler hatte zwar grundsätzlich nie etwas ausgeschlossen, wiederholte aber genauso gebetsmühlenartig, dass Deutschland in dieser Frage „keine Alleingänge“ unternehmen werde. Die Militärhilfe sei international abgestimmt, auch die westlichen Nato-Partner würden Kiew keine Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

Argument des Alleingangs sei „endgültig ad absurdum geführt“

Für Scholz lag der Schwerpunkt der direkten deutschen Unterstützung bisher bei der Artillerie wie der Luftabwehr. Darüber hinaus sollten mittel- und osteuropäische Länder wie Polen, die Slowakei oder Tschechien ihre älteren Kampfpanzermodelle sowjetischer Bauart aus Warschauer-Pakt-Zeiten der Ukraine überlassen - und dafür modernen westlichen Ersatz aus Deutschland bekommen - wobei dieser „Ringtausch“ bisher nur begrenzt funktionierte.

Nun ist innerhalb kürzester Zeit eine neue Lage entstanden.

Der innenpolitische Druck auf Scholz, nun ebenfalls seine bisherige Haltung zu überdenken, ist ebenso schnell noch einmal deutlich gewachsen. Das Argument des Alleingangs sei „endgültig ad absurdum geführt“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter dem „Spiegel“, „jetzt spätestens“ sei für Scholz der Zeitpunkt gekommen, Leopard-2-Panzer zu liefern, „am besten als europäische Initiative“.

Scholz sollte im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft endlich die Zeichen der Zeit erkennen.

FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Scholz solle nun „im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft endlich die Zeichen der Zeit erkennen und nachlegen – der Ball liegt jetzt in Berlin.“

Es äußerten sich aber nicht nur „die üblichen Verdächtigen“, wie sie in SPD-Kreisen gerne bezeichnet werden. Auch mehrere Sozialdemokraten äußerten sich am Donnerstag, zwar nicht mit Forderungen an ihren Kanzler, aber doch mit unterstützenden Worte für die Ansagen aus Paris und Washington.  

»Ich begrüße die Ankündigungen der USA und Frankreichs, unter anderem Spähpanzer in die Ukraine liefern zu wollen«, sagte etwa der Außenpolitiker Adis Ahmetovic den „Spiegel“: „Sollte es zu Panzerlieferungen aus Deutschland kommen, wird dies in Kooperation und in Absprache mit unseren euro- und transatlantischen Partnern erfolgen.“ Sein Fraktionskollege Andreas Schwarz sieht in der französischen Ankündigung „eine Möglichkeit, mit den westlichen Partnern die nächste Stufe der Unterstützung der Ukraine abzustimmen“.

Bundesregierung kurz vor dem Kurswechsel

„Für die SPD gab und gibt es in Bezug auf Waffenlieferungen für die Ukraine keine grundsätzlichen Tabus“, sagte Nils Schmid als außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel, „sie müssen nur mit unseren Partnern abgestimmt sein.“

Den Eindruck, dass genau dies nun mit Frankreich nicht geschehen ist und Deutschland wieder nur reagiert, teilt der Sozialdemokrat Schmid, der auch Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentarierversammlung ist, ausdrücklich nicht: „Abgestimmt heißt, dass wir dieselbe Kategorien von Waffen liefern, aber nicht diese exakt zum selben Zeitpunkt ankündigen.“

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Über ein mit dem französischen Radpanzer AMX-10 vergleichbares Modell verfügt die Bundeswehr nicht. Weil zwischen den Verbündeten vereinbart ist, Kiew jeweils ähnliche Waffenkategorien zur Verfügung zustellen, gilt diese angekündigte Lieferung innerhalb der Bundesregierung weniger als Grund für den gestiegenen Druck auf Deutschland. So wird beispielsweise darauf verwiesen, dass nach der von Berlin angekündigten Überlassung von Gepard-Luftabwehrpanzern Paris nicht in ähnlicher Weise nachlegen konnte.

Marder aus Deutschland, Bradleys aus den USA?

Die amerikanische Ansage, die Lieferung von Schützenpanzern zu erwägen, mit denen Infanterieeinheiten auf dem Schlachtfeld transportiert werden können, wird für die bevorstehende deutsche Entscheidung daher als bedeutsamer eingestuft. Die deutschen Varianten des amerikanischen Typs Bradley wären die älteren Marder-Schützenpanzer oder die hochmodernen Puma, die zuletzt wegen zahlreicher Pannen jedoch für Negativ-Schlagzeilen gesorgt hatten.

„Wir kommen jetzt mit Späh- und Schützenpanzern in einer Zwischenkategorie an“, stellte der SPD-Politiker Schmid fest - auch um damit weitergehende Forderungen von Hofreiter oder Strack-Zimmermann zumindest vorerst abzuwehren: „Bei wirklich schweren Kampfpanzern wie dem amerikanischen Abrams, dem französischen Leclerc oder unserem Leopard 2 herrscht unter allen Verbündeten aus gutem Grund immer noch eine gewisse Zurückhaltung.“

Kanzler Scholz, der am Donnerstag erst der Beisetzung des früheren Papstes Benedikt in Rom beiwohnte und am Nachmittag zurück im Berliner Kanzleramt die Sternsinger empfing, äußerte sich nicht selbst zu den neuen Überlegungen. Nach den Entwicklungen vom Donnerstag dürfte er das aber sehr bald tun.

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