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Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, und Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD.

© dpa/Kay Nietfeld

Nahe am Rekordhoch: Den schleichenden Wiederaufstieg der AfD darf man nicht ignorieren

Obwohl sie in der Bundespolitik kaum noch wahrgenommen wird, steht die AfD in Umfragen bei 16 Prozent. Was passiert da?

Ein Kommentar von Maria Fiedler

Lieber „acht Abschiebeflüge als acht Vergewaltigungen pro Tag“ – das postete die AfD diese Woche auf Twitter und Facebook. Dass hier ein Zusammenhang zwischen Migration und Sexualstraftaten hergestellt wird, Angst geweckt, Ressentiments geschürt, davon ist wohl niemand mehr überrascht. Man kennt es von der AfD.

Der Verfassungsschutz beobachtet die Partei als Verdachtsfall für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Die AfD-Jugend ist seit diesem Mittwoch als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Gleichzeitig tauchen die Provokationen der Partei kaum noch in den Medien auf. Auch die Machtkämpfe, die bis zum Abgang von Ex-Parteichef Jörg Meuthen noch regelmäßig für Schlagzeilen sorgten, sind vorüber. Die Gemäßigteren haben den Kampf verloren.

Und so wird – zumindest in der Bundespolitik – kaum noch über die AfD gesprochen. Die Abwesenheit von medialer Aufmerksamkeit schadet ihr nicht, im Gegenteil. In Umfragen ist sie über das letzte Dreivierteljahr hinweg immer stärker geworden. Eine jüngste Umfrage sieht sie bei 16 Prozent – und damit sichtbar vor den Grünen. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen hat sie die Chance, stärkste Kraft zu werden. Vor Ort ist die Sorge groß.

16
Prozent sieht eine Umfrage jetzt für die AfD.

Die AfD ist jetzt im Bund nahe an ihrem Rekordhoch von 17 Prozent im Jahr 2018. Es ist ein schleichender, fast unbeachteter Wiederaufstieg. Es wäre gefährlich, das einfach hinzunehmen. Man muss hinschauen: Was passiert da?

Die Empörung hat sich abgenutzt

Für die Entwicklung gibt es mehrere Gründe. Erstens: Normalisierung. Die AfD hat im Februar ihr zehnjähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Deutschland hat sich an die Anwesenheit einer in Teilen rechtsextremen Partei gewöhnt. Empörung, Aufmerksamkeit – all das hat sich abgenutzt.

Die Abschreckungswirkung selbst eines Björn Höcke scheint nachzulassen, ebenso wie die der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. In Thüringen funktionierte die AfD die Beobachtung sogar zum Gütesiegel um – Slogan: „Verdächtig gut“.

Zweitens arbeitet die Partei schon seit Jahren an ihrer Selbstverharmlosung. Sie bezeichnet sich selbst als „bürgerlich“ und warb mit dem Slogan „Deutschland, aber normal“. Jetzt tut die scheinbare Abwesenheit von Skandalen ihr Übriges. Langsam geraten die Ungeheuerlichkeiten der Partei in Vergessenheit.

Die AfD braucht die etablierten Medien nicht mehr

Drittens hat die Partei seit Beginn an einer Gegenöffentlichkeit gearbeitet. Die AfD ist mittlerweile vollkommen unabhängig von Berichterstattung in den etablierten Medien. Es existiert ein Kosmos radikal rechter Medien, in der die AfD unwidersprochen bleibt. Die Partei produziert selbst Videoformate, Podcasts, bespielt Telegram und Facebook. Hier kann die AfD ihre Stammwähler mobilisieren, die sie wegen ihrer extrem rechten Positionen wählen.

Und viertens befindet sich die Bundesrepublik noch immer in einer der schwierigsten Phasen ihrer Geschichte. Der befürchtete „Wutwinter“ ist zwar ausgeblieben. Das heißt aber nur, dass es keine Massendemonstrationen gegeben hat.

Krieg, Inflation, die Herausforderungen der Energiewende – Stichwort Heizungsgesetz – all das sorgt in Teilen der Bevölkerung für große Verunsicherung. Dazu kommt die starke Zunahme der Migration, die viele Kommunen überfordert – was die AfD versucht, für ihre Zwecke zu nutzen.

Dass das Kreuz bei der radikal rechten AfD noch immer als Denkzettel an die etablierten Parteien dient, hat sich bei der jüngsten Landtagswahl in Niedersachsen gezeigt. Das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz von SPD, Grüne, FDP und Union ist zu niedrig. Der Frust mit dem politischen Angebot drückt sich auch in hohen Nichtwählerzahlen aus.

All das muss für die anderen Parteien ein Alarmsignal sein. Gerade für die Ampel muss es ein Ansporn sein, ihre Politik besser zu erklären und den Menschen stärker das Vertrauen zu geben, dass sie mit den Umbrüchen dieser Zeit nicht alleingelassen werden. Neben rechter Gesinnung sind Frust, Angst und Hoffnungslosigkeit der stärkste Nährboden für die AfD. Den sollte man ihr entziehen.

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