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Am Ende einer erfolgreichen Migrationsgeschichte steht oft die Einbürgerung, für die eine Kampagne des Berliner Senats vor zehn Jahren warb.

© dpa/Wolfgang Kumm

Neue Studie zu Einwanderung: „Die öffentliche Meinung spiegelt die gewaltigen Fortschritte nicht wider“

Viele Menschen stehen Einwanderung kritisch gegenüber. Eine neue OECD-Studie zeigt jedoch deutliche Erfolge bei der Integration in Deutschland und der EU.

Von Hans Monath

Die öffentliche Wahrnehmung von Zuwanderung in Deutschland und anderen EU-Ländern verkennt die von Zuwanderern in den vergangenen zehn Jahren erzielten Erfolge.

Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Integrationsstudie „Settling In 2023“, die am Donnerstag vorgestellt wurde. „Die öffentliche Meinung spiegelt die gewaltigen Fortschritte nicht wider“, sagte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig.

Ein Viertel der EU-Bürgerinnen und -Bürger sind demnach der Meinung, die Bildungsergebnisse von Migrantenkindern hätten sich in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert. „Fakt ist jedoch, dass im Aufnahmeland geborene Kinder von Zugewanderten im OECD-Raum im Alter von 15 Jahren heute deutlich bessere Ergebnisse erzielen als noch vor zehn Jahren“, heißt es in der Studie.

Ihre Leistung im PISA-Lesekompetenztest sei in einem Umfang gestiegen, der dem Lernfortschritt von etwa einem halben Schuljahr entspreche.

Bei der Pisa-Lesekompetenz haben Kinder von Zuwanderern in den vergangenen zehn Jahren gut aufgeholt.

© Tagesspiegel/Susanne Vieth-Entus

„Ich glaube, dass es die Akzeptanz von Zuwanderung deutlich erhöhen würde, wenn man es schaffen würde, die Kompetenzen der Zuwanderer, die es ja gibt, besser in Wert zu setzen“, sagte Liebig. Mit Verweis auf die Debatte über „Braindrain“, also über den Abzug von Bildungskompetenz aus armen Ländern hin in Industriestaaten, plädierte der Wissenschaftler dafür, Hürden für die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen abzubauen.

„Eines weiß man: Wenn Kompetenzen nicht genutzt werden, verlieren alle“, sagte er. Laut der Studie ist eine der Ursachen für die Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität, dass der Fokus der öffentlichen Darstellung eher auf Problemen statt Erfolgen liegt.

Zur Situation in Deutschland erklärte Liebig: „Wir sehen viele positive Signale.“  Demnach stieg wie in den meisten Ländern der Anteil hoch qualifizierter Zuwanderer. Zudem üben Zugewanderte vermehrt hoch qualifizierte Berufe aus – ihr Anteil nahm hierzulande von 2011 bis 2021 um rund zwölf Prozent zu.

Migrantinnen und Migranten haben demnach oft ein großes Vertrauen in die Institutionen ihres Aufnahmelands, so vertrauen in Deutschland fast 70 Prozent der Polizei. Bei den hier geborenen Menschen liegt der Wert knapp darunter.

Auch die Einstellung gegenüber Zuwanderern verbesserte sich. Die Bundesrepublik investiere viel Geld in die Integration, dies scheine sich auszuzahlen, folgerte Liebig. Eine verbesserte Arbeitsmarktlage spiele ebenfalls eine Rolle. Bei der Integration im öffentlichen Sektor liegt Deutschland allerdings in der Schlussgruppe: Migrantinnen und Migranten sind hier unterrepräsentiert.

Ein weiterer positiver Befund, der dem verbreiteten Bild von Migranten nicht entspricht: Das Durchschnittseinkommen von Zuwanderern beträgt in Deutschland mehr als 90 Prozent im Vergleich zu dem von im Inland Geborenen.

Abweichende Ergebnisse zu anderen Studien präsentiert die Untersuchung beim Thema „wahrgenommene Diskriminierung“. Demnach geben weniger als zehn Prozent der Zuwanderer in Deutschland an, Diskriminierung wahrgenommen zu haben. Bessere Werte als Deutschland in dieser Kategorie weisen nur Irland, die Schweiz, Norwegen und Spanien auf.

Über Migration müsse „besser kommuniziert werden“, fordern die Autoren. Auch müsse der Blick stärker auf die Lebensverhältnisse von Migranten gerichtet werden. „In diesem Bereich sind die Fortschritte weniger deutlich, was in den einzelnen OECD-Mitgliedsländern und im OECD-Raum insgesamt zunehmend Anlass zu Besorgnis gibt“, heißt es im Text.

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