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EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni ist sicher, dass die EU „neues Geld“ benötigt.

© AFP/Kenzo Tribouillard

Update

Milliarden für grüne Technik?: EU-Kommissar auf Werbetour in Berlin

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hält ein ausgedehntes Subventionsprogramm zur Förderung grüner Technologien für nötig. Doch die Bundesregierung ist dagegen.

In der Brüsseler Kommission wird über milliardenschwere Hilfen für den grünen Wandel in der Industrie nachgedacht. Ein solcher Schritt soll dazu dienen, den wirtschaftlichen Schock angesichts der hohen Energiepreise abzufedern, US-Subventionen für klimafreundliche Industrien zu kontern und ganz allgemein die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gegenüber den USA und China zu sichern. Am Montag und Dienstag wirbt EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Berlin für die Idee. Doch vor allem von Finanzminister Christian Lindner (FDP) kommt Gegenwind.

Die Wirtschaft in der EU ist unter Zugzwang, seit US-Präsident Joe Biden den milliardenschweren „Inflation Reduction Act“ aufgelegt hat. Angesichts des Volumens des Programms in Höhe von 369 Milliarden US-Dollar besteht die Sorge, dass grüne Technologien von Europa in die USA abwandern. Wie Gentiloni am Montag nach einem Treffen mit Lindner erläuterte, sollen zunächst einmal die EU-Beihilferegeln gelockert werden, um den Standort Europa attraktiver zu machen. Anders gesagt: Die EU-Staaten sollen einfacher als bisher Subventionen an Firmen im Bereich der grünen Technologien vergeben können.

Zuvor hatte Gentiloni auch eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die EU nicht ausgeschlossen. Die EU brauche „angesichts der Herausforderungen, die es unbestritten gibt, neues Geld“, hatte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt. Im Entwurf eines Vorschlags zur Finanzierung des grünen Wandels, den die Kommission am Mittwoch vorstellen will und der dem Tagesspiegel vorliegt, taucht die Aufnahme neuer Schulden allerdings nicht auf. Statt dessen wird verwiesen auf den von Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgeschlagen „Souveränitätsfonds“, dessen Finanzierung allerdings offen ist.

Die EU hat mit der Aufnahme gemeinsamer Schulden bereits Erfahrungen gesammelt: Während der Corona-Pandemie beschlossen die 27 Mitgliedsstaaten einen Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Der Fonds wird durch die Ausgabe neuer Anleihen durch die EU finanziert. Jedes Land haftet dabei bis zum eigenen Anteil am EU-Haushalt.

Die Ampel-Koalition in Berlin sieht aber bislang keinen Anlass, um auf die Forderung des Wirtschaftskommissars nach großflächigen Subventionsprogrammen einzugehen. Beihilfen müssten zwar schneller bewilligt werden, aber eine „exzessive Ausdehnung von Subventionen“ in der EU werde nicht benötigt, sagte Lindner nach dem Treffen mit Gentiloni. An diesem Dienstag stehen für den Italiener zudem Gesprächstermine mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt an.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass er von der Idee, neue EU-Schulden aufzunehmen, nichts hält. Im vergangenen Oktober sprach er sich angesichts der Energiekrise vielmehr dafür aus, noch nicht verbrauchte Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds umzuwidmen. Auch Lindner erklärte, dass die zur Verfügung stehenden Gelder ausreichten, um den Umbau in Richtung einer klimafreundlichen Wirtschaft zu unterstützen. Gentiloni sieht das langfristig anders. „Wir müssen – auch als Signal an die Finanzmärkte – den Eindruck vermeiden, wir schöben nur bestehendes Geld hin und her“, hatte er vor seinem Besuch in Berlin gesagt.

Nach den Vorstellungen des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton könnte ein neuer EU-Fonds insgesamt 350 Milliarden Euro umfassen. Das letzte Wort sprechen dabei aber die EU-Mitgliedstaaten – und da ist Deutschland in seiner Abwehrhaltung gegenüber neuen Schulden keineswegs isoliert. Eine ganze Reihe weiterer Länder, darunter die Niederlande, Finnland und Österreich, lehnen einen weiteren schuldenfinanzierten Fonds ebenfalls ab.

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