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Nicht jeder fährt mit gültigem Ticket mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

© imago images/Sabine Gudath

Ohne Fahrschein: Sollte Schwarzfahren eine Straftat bleiben?

Schwarzfahren wird in Deutschland bisher als Straftat behandelt. Sollte das so bleiben oder muss es entkriminalisiert werden? Drei Expertenmeinungen.

Schon länger schwelt in Deutschland die Debatte, ob Schwarzfahren eine Straftat bleiben sollte - oder ob es besser eine bloße Ordnungswidrigkeit darstellen sollte. Zuletzt sprach sich im Rechtsausschuss des Bundestages eine Mehrheit der Sachverständigen für einen Kurswechsel im Umgang mit Fahrgästen ohne gültiges Ticket aus. Drei Experten tauschen die wichtigsten Argumente aus. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Schäden liegen im Bagatellbereich

Ungefähr 8.000 Menschen gelangen jährlich wegen Fahrens ohne Fahrschein in Haft. Dabei handelt es sich um Menschen, die von Armut betroffen und zudem oft gesundheitlich und sozial belastet sind. Die meisten erhalten zunächst eine Geldstrafe, jede siebte Person kann diese nicht bezahlen und tritt eine Ersatzfreiheitsstrafe an. Die anderen werden direkt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Wer falsch parkt, erhält einen Strafzettel. Wer hingegen öffentliche Verkehrsmittel ohne Fahrschein nutzt, kann von einem Gericht verurteilt werden. Dabei ist das Fahren ohne Fahrschein im Strafgesetzbuch entbehrlich.

Die Schäden liegen im Bagatellbereich. Die Justiz wäre entlastet um jährlich mehrere zehntausend Verfahren, die sie bislang bearbeiten muss. Soziale Gerechtigkeit meint, dass Güter und Lasten möglichst gerecht verteilt sein sollten. Die Entkriminalisierung dieses Armutsdelikts wäre ein Beitrag dazu.


Ein falsches Signal für alle ehrlichen Fahrgäste

Fahren ohne gültiges Ticket ist und bleibt unsozial. Es gibt zwei wesentliche Argumente, die Unterstützer:innen bei der sogenannten „Entkriminalisierung“ des Fahrens ohne gültiges Ticket im ÖPNV oft ins Feld führen: Erstens die Überlastung der Justiz und zweitens die Sinnlosigkeit einer Strafanzeige bei Menschen, die sich den normalen Ticketpreis nicht leisten können.
Beide Argumente zielen ins Leere. Fühlen sich denn Gerichte oder Richter:innen mehr belastet, wenn es um eine Strafanzeige fürs Fahren ohne gültiges ÖPNV-Ticket geht, als wenn es um einen wesentlich häufiger vorkommenden Ladendiebstahl geht? Fehlenden Kapazitäten in der Justiz mit einer Abschaffung von Rechtsvorschriften begegnen zu wollen, scheint wenig sinnvoll.

Es mag trotz diverser Sozialtickets und anderer Vergünstigungen noch immer Menschen geben, die sich ein ÖPNV-Ticket nicht leisten können. Die Antwort muss aber eine sozialstaatliche sein. Denn sonst müsste auch der Ladendiebstahl von Grundnahrungsmitteln legalisiert werden. Für alle ehrlichen Fahrgäste jedenfalls ist es ein falsches Signal, wenn diejenigen, die sich unsolidarisch verhalten, indem sie kein Ticket kaufen, künftig dann kaum noch Konsequenzen fürchten müssen.


Schwarzfahren gehört nicht ins Strafgesetzbuch

Justizminister Marco Buschmann hat sich vorgenommen, das Strafgesetzbuch auszumisten. Schlanker und zeitgemäßer soll es bald daherkommen. Vor kurzem fiel der Startschuss: Der Bundestag beschloss die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe. Für Buschmann eine „historische Reform“, für andere eher ein Reförmchen. Weichen könnte nun noch der Paragraf 265a StGB, der das Erschleichen von Leistungen regelt. Der Paragraf könnte komplett aufgehoben oder zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. Im Strafgesetzbuch hat das Fahren ohne Fahrschein jedenfalls nichts zu suchen.

Wer etwa seiner Pflicht aus einem Kauf- oder Werkvertrag nicht nachkommt, gegen den erwachsen zivilrechtliche Ansprüche, die vor einem Zivilgericht eingeklagt werden können. Wer in eine Bahn einsteigt, willigt konkludent in den Beförderungsvertrag mit dem Verkehrsunternehmen ein. Dass ich zur Straftäterin werde, wenn ich die Gegenleistung nicht erbringe, das überzeugt nicht.

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