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Auf den Spuren Helmut Schmidts: Boris Pistorius will den Planungsstab wiedereinführen. Ex-Minister Thomas de Maizière hatte diesen 2012 im Rahmen der Bundeswehr-Schrumpfkur aufgelöst.

© Imago/Christian Spicker

„Pistorius packt die Dinge an“: Selbst die CDU lobt die Reformpläne des Verteidigungsministers

Boris Pistorius krempelt sein Haus massiv um. Er beruft neues Personal und will eine Einheit aufbauen, die Helmut Schmidt eingeführt hatte. Was steckt dahinter?

Es war ein politischer Paukenschlag Helmut Schmidts. Der Verteidigungsminister der ersten Großen Koalition führte 1969 einen Planungsstab in seinem Ressort ein.

Schmidt wollte den Apparat, damals auf der Bonner Hardthöhe, langfristiger und strategischer ausrichten, trieb eine „verteidigungspolitische Planung“ voran. Die Aufgabe: Erarbeitung und Analyse zentraler militärstrategischer Ziele. 

Ein gutes halbes Jahrhundert später wandelt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf den Spuren seines Vorgängers und Parteifreundes Schmidt.

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Die Illusion der „Friedensdividende“

Er will den zwischenzeitlich abgeschafften Planungsstab wieder einführen, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Von einem Planungs- und Führungsstab samt Lagezentrum, insgesamt 117 Mitarbeitern, ist die Rede.

Das Verteidigungsministerium hält sich bedeckt. Es gehe darum, „vom Kopfe beginnend“ Strukturen effizienter und schneller zu machen, auch im „Leitungsbereich und den Umfang des Leitungsbereichs“, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch.

Mit einem seiner Vorgänger, nämlich Thomas de Maizière (CDU), beriet sich Pistorius bereits kürzlich im persönlichen Gespräch. Auch dabei dürfte es um den Planungsstab gegangen sein.

De Maizière hatte die Einheit 2012 aufgelöst. Damit war das Kontroll- und Frühwarnsystem für den Minister dahin. Die Einschätzung damals: Deutschland ist nicht territorial bedroht. Die Bundeswehr schrumpfte und schrumpfte.

Die vielfach beschworene „Friedensdividende“ nach dem Ende des Kalten Krieges schlug sich so im Organigramm des Verteidigungsministeriums nieder. Zwei Jahre später besetzte Russland die Krim und begann mit der De-Stabilisierung der Ost-Ukraine.

Mit einem Planungsstab kann man die 260.000 Mitarbeiter der Bundeswehr besser steuern.

Hans-Peter Bartels (SPD), ehemaliger Wehrbeauftragter

Auf Kritik an de Maizières damaliger Entscheidung verzichtet Pistorius, ganz nach dem Motto: Es waren eben andere Zeiten. Derweil krempelt der Minister sein Haus über den Planungsstab hinaus massiv um.

Pistorius, gerade einmal gut zwei Monate im Amt, hat bereits mit Carsten Breuer einen neuen Generalinspekteur ernannt, eine Staatssekretärin abgelöst und eine neue Präsidentin der Beschaffungsbehörde bestimmt. 

Am Mittwoch meldete die Deutsche Presse-Agentur: An der Spitze des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr soll künftig Roland Börger stehen.

„Pistorius nimmt Rat an“

Selbst aus der Opposition erntet Pistorius Lob für seine Organisationsreformen. „Die geplanten Entscheidungen von Minister Pistorius, unter anderem zur Wiedereinführung des Planungsstabes, sind schlüssig“, sagte Henning Otte (CDU), Vize-Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, dem Tagesspiegel: „Es gibt einen erhöhten Handlungsdruck, und Pistorius packt die Dinge an.“

Bis auf die Aktivitäten von Herrn Pistorius hat die gesamte Bundesregierung die ,Zeitenwende’ zum Erliegen gebracht.

Henning Otte, CDU-Verteidigungsexperte

Offenbar berate sich Pistorius mit dem neuen Generalinspekteur „und offenbar nimmt er Rat an“. So hat man Oppositionspolitiker über Pistorius’ Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) nie reden hören.

Pistorius dürfe sich aber „nicht darauf beschränken, Strukturen zu verändern“, forderte Otte. Er müsse jetzt auch Entscheidungen beschleunigen.

Bisher habe der Minister „mit Rücksicht auf die zerstrittene SPD kein langfristiges Rüstungsprojekt entschieden“, sagte Otte. Die Zeit aber dränge. Das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen Bundeswehr „schmilzt angesichts der Inflation täglich“.

Der Verteidigungsetat sei „auf 50 Milliarden Euro auf Jahre zementiert, wo es eines 70 Milliarden Etats bedürfte“. Außerdem bremse Kanzler Olaf Scholz (SPD) Pistorius aus.

Der Kanzler habe die im Februar 2022 selbst beschworene „Zeitenwende“ längst vergessen, moniert CDU-Verteidigungsexperte Otte: „Bis auf die Aktivitäten von Herrn Pistorius hat die gesamte Bundesregierung die ,Zeitenwende’ zum Erliegen gebracht.“

Zustimmung zu Pistorius’ Entscheidungen signalisiert ebenfalls der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD). „Boris Pistorius hat drei Aufgaben, die er nun angeht: neues Personal, mehr Geld, Strukturreformen“, sagte Bartels dem Tagesspiegel.: „Mit einem Planungsstab kann man die 260.000 Mitarbeiter der Bundeswehr besser steuern.“ Deshalb sei die Wiedereinführung „überfällig und sehr sinnvoll“. Pistorius könne „damit seine politische Führung sicherstellen“.

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