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Politik: Schrumpfen als Chance

Die Grünen sehen die alternde Gesellschaft nicht als Verhängnis – wenn sich die Politik besser wappnet

Von Matthias Meisner

Berlin - In der Debatte um die alternde Gesellschaft und den Bevölkerungsrückgang sollte sich die Politik aus Sicht der Grünen weit stärker als bisher den regionalen Unterschieden zuwenden. Würden die damit verbundenen Probleme nicht gelöst, werde die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in Deutschland „de facto in Frage gestellt“, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer am Montag in Berlin bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der Fachkommission „Demographie“. Mit ihren Thesen wollen die Grünen über die Themen Familienpolitik, Zuwanderung und Rente hinaus eine Debatte anstoßen. Ziel soll es sein, den Strukturwandel als Chance zur aktiven Gestaltung der Gesellschaft zu begreifen – und nicht als „Krieg der Generationen“.

Auch das Regierungsbündnis aus Union und SPD hat das Thema im Koalitionsvertrag angespielt – im Kapitel zum Aufbau Ost ist von Projekten die Rede, die dem Wegzug junger Menschen entgegenwirken und die Rückkehr in die Heimatregionen unterstützen sollen. Nach dem Willen der großen Koalition soll Ostdeutschland zum „Modell“ eines modernen und familienfreundlicheren Deutschland werden.

Die Grünen knüpfen hier an, nennen die Bevölkerungsabnahme in Ostdeutschland „zum Teil dramatisch“. Sie verweisen zugleich auf schrumpfende Regionen in Westdeutschland sowie auf starke Wachstumsregionen etwa in Bayern, längs der Rheinschiene und in Hamburg. Um die soziale Infrastruktur aufrechterhalten zu können, werde es in vielen dünn besiedelten und strukturschwächeren Gebieten notwendig sein, Einrichtungen und Dienstleistungen vorrangig an „zentralen Orten“ zu bündeln. Keinesfalls gehe es darum, strukturschwachen Gebieten die Perspektive zu nehmen, versicherte Bütikofer. Doch brauche jede Region ihr eigenes Konzept. „Aus Mecklenburg-Vorpommern wird nie mehr ein schwerindustrielles Zentrum werden“, sagte der Grünen-Vorsitzende und ergänzte, dass sich die Entwicklungschance mancher Region eben aus ihren „Naturschönheiten und Ruheräumen“ ergebe.

In Teilen liest sich der Demografiebericht der Grünen wie eine Sammlung von lange diskutierten Rezepten – Stichworte sind zum Beispiel das lebenslange Lernen oder mehr bürgerschaftliches Engagement. Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irmingard Schewe-Gerigk, die den Bericht gemeinsam mit Bütikofer vorstellte, gab zu, dass die Debatte über die demografische Entwicklung auch in anderen Parteien längst in Gang gekommen ist. Es gebe kein Erkenntnisdefizit, doch umgesetzt werde zu wenig. Auch die große Koalition fordert, die aktive Teilhabe älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie das ehrenamtliche Engagement älterer Menschen stärker zu fördern.

Für die Grünen geht es darüber hinaus darum, die „Rush hour“ in der Mitte des Lebens zu entzerren, wie es in dem Bericht heißt. Die klassische Einteilung einer Erwerbsbiografie in Ausbildung, Erwerbsarbeit und Ruhestand sei überholt. In der Konsequenz heißt das: Ein gesunder Betrieb muss auch Ältere beschäftigen, zu einer normalen Erwerbsbiografie sollen Lernzeitkonten, Eltern- oder auch eine Pflegezeit gehören.

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